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Dingwelten: Die Neugestaltung der Ausstellung der oberen Etage im Museumshaus „Magazin“

Von Dr. Johannes Großewinkelmann

Vom EXPO-Projekt zur Dauerausstellung: Der Umbau des ehemaligen Zentralmagazin

Im Jahr 2000 war Hannover Standort der Weltausstellung EXPO 2000. Bereits 1995 fiel die Entscheidung, auch das Weltkulturerbe Rammelsberg in Goslar zu einem dezentralen Standort der EXPO-Ausstellung zu machen. Mit dieser Entscheidung flossen erhebliche Fördermittel in das Museum & Besucherbergwerk zum Auf- und Ausbau der musealen Infrastruktur. Dazu gehörte auch der Umbau des ehemaligen Zentralmagazins des Erzbergwerks zu einem Museumshaus mit kulturhistorischer Dauerausstellung.

Die Weltausstellung in Hannover hatte sich als zentrales Thema die Interaktionen von Menschen, Natur und Technik auf die Fahnen geschrieben und damit bot sich das Weltkulturerbe Rammelsberg als Außenstelle geradezu an. Ziel war es, aus verschiedenen Perspektiven das Zusammenspiel und die gegenseitige Bedingtheit von Menschen, Natur und Technik im Bergbau aufzuzeigen. Dazu gehörten die geologischen Voraussetzungen, die technischen Möglichkeiten des Abbaus, die sich im Laufe der Zeit deutlich veränderten, aber auch die Lebensumstände der Menschen und dies alles unter den jeweiligen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systemen.

Für das Magazingebäude wurde ein Konzept erarbeitet, nach dem das Mittel- und das Untergeschoss komplett entkernt und neugestaltet wurden. Weitgehend original erhalten blieben der Lokschuppen im Untergeschoss und in der oberen Etage ein Teil der Magazinfläche mit Einbauten. Außerdem blieb Gebäudehülle im authentischen Zustand und wurde saniert. 

Die Ausstellung auf der oberen Etage des Museumshauses „Magazin“ vor dem Umbau

Auf der oberen Etage des Museumshauses Magazin befanden sich nach dem Umbau Anfang 2000 drei unterschiedliche Funktionsbereiche: a) ein original erhaltener Teil des früheren Zentralmagazins; b) freistehende Lagerflächen und c) eine Dauerausstellungsfläche, die aus Eingangs- und Sammlungsbereich mit bergmännischen Werkzeugen und Maschinen bestand.

Wandelemente aus Lochblechen trennten den Ausstellungsbereich vom original erhaltenen Lagerbereich und ermöglichen den Besucher:innen einen diffusen Durchblick in dieses authentische Magazin. Dadurch sollte die Assoziation zur ursprünglichen Nutzung dieses Gebäudes als Lager für den Bergbaubetrieb hergestellt werden. Zwischen musealer Nutzung der einen Raumhälfte und authentischer Nutzung der anderen Raumhälfte sollten die Lochbleche eine Art kommunikative Verbindung herstellen.

Abb. 1: Hinter dem Schmiededorn ist die Lochblechwand mit Durchsicht zum Magazinbereich zu sehen. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, 2015.

Im musealen Eingangs- und Sammlungsbereich der oberen Etage fand eine z.T. komplizierte Einführung in das Thema „Kulturgeschichte des Bergbaus“ statt. Hier sollte im Eingangsbereich mit einer Vielzahl an medialen Eindrücken eine Einstimmung auf die Themen der Dauerausstellung herbeigeführt werden. Der Sammlungsbereich, ausgestattet mit Handwerkzeugen und Maschinen aus dem Bergwerksbetrieb am Erzbergwerk Rammelsberg war als Einstimmung in die materielle Welt des Bergbaus gedacht.     

Dieser Eingangsbereich hat nie richtig funktioniert und war deshalb mehrmals Gegenstand von Umgestaltungen. Eine Besucherbefragung im Jahr 2019 ergab, dass eine Frage nach der ursprünglichen Funktion des Gebäudes nur beantworten konnte, wer die Bezeichnung „Magazin“ für das Museumshaus gelesen hatte. Die Lochblechwände und die ausgestellten Magazinregale, die eine Assoziation zur ursprünglichen Gebäudenutzung herstellen sollten, wirkten eher irritierend.

Abb. 2: Eingangsbereich zur Dauerausstellung in der oberen Etage vor Umbau (2010). Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, 2015.

Abb. 3: Eine Vielzahl an bergbaulichen Geräten aus der Sammlung soll die Besucher im Eingangsbereich auf die Kulturgeschichte des Bergbaus einstimmen. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, 2015.

Die Neugestaltung der oberen Etage 

Eine komplette Neukonzeption der Dauerausstellung im Museumshaus Magazin wurde 2019 begonnen. Die folgenden drei Krisenjahre 2020 bis 2022 haben die Finanzierungspläne zur Konzeptionierung und Umsetzung einer neuen Dauerausstellung deutlich verändert. Von der geplanten, kompletten Umstrukturierung wurde abgewichen, um eine modulare Erneuerung der Ausstellung zu planen, die in mehreren Abschnitten vorgenommen und finanziert werden kann. Ausgangspunkt der modularen Umstrukturierung ist der authentische Ort, in dem die Dauerausstellung integriert ist. Es ist das ehemalige Zentralmagazin des Erzbergwerks. Die Neugestaltung wird im Eingangsbereich der oberen Etage an diesem authentischen Ort anknüpfen.

In einem Willkommensbereich werden zunächst Menschen vorgestellt, die am Erzbergwerk Rammelsberg gearbeitet haben. Besucher:innen können sich hier über die Einzigartigkeit des Weltkulturerbes Rammelsberg informieren. Danach werden in vier Vitrinen Dinge aus der Rammelsberger Bergbaugeschichte mit hoher symbolischer Kraft ausgestellt. Markante Daten und Fakten zur Geschichte des Erzbergbaus und zum Wandel des Magazingebäudes  runden diesen Einstieg und Überblick ab.

Abb. 4: Vitrinen im Eingangsbereich des Museumshauses „Magazin“. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, Martin Wetzel, 2023.

Nach dieser Einführung bestimmen „Dingwelten“ die weitere Ausstellung, d.h. hier werden Museumsobjekte in unterschiedlichen Schaumagazinen präsentiert, um die Besucher:innen in die gegenständliche Welt des Bergbaumuseums zu entführen. Hier schließt der Ausstellungsansatz an die ursprüngliche Gebäudenutzung als Zentralmagazin an. 

Zunächst sind Besucher:innen in einem Bereich mit einer Vielzahl an bergmännischen Handwerkzeugen und Arbeitsmaschinen eingeladen, kognitiv und emphatisch Dinge zu „begreifen“. In einer kleinen „Schatzkammer“ entführen monetär, aber auch ideell wertvolle Museumsdinge die Besucher*innen in eine Welt, die abseits des schmutzigen Images vom Bergbau, Teil dieser Arbeitswelt war. In dem Bereich des authentisch erhaltenen Zentralmagazins des ehemaligen Erzbergwerks wird bei Führungen die ursprüngliche Materialwirtschaft des Bergwerks vorgestellt, als die Dinge noch nicht „just in time“ geliefert werden konnten.

Die Schaumagazine sind als Themeninseln konzipiert und nutzen kognitive, narrative und emotionale Zugänge zu Inhalten. Damit versuchen sie die Selbsterfahrung der Besucher*innen in den Vermittlungsprozess einzubeziehen. Die Besucher*innen werden zum Teil der Erzählung gemacht.

Abb. 5: Aufbau der „Dingwelten-Ausstellung“. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, Martin Wetzel, 2023.

Neben den Schaudepots ist auf der oberen Ebene des Museumshauses „Magazin“ ein  Workshopbereich eingerichtet, in denen ein offener Umgang mit der musealen Dingwelt unter spezifischen Themen angestrebt wird. Hier können museumspädagogische, restauratorische oder sammlungsspezifische Projekte durchgeführt werden.

Abb. 6: Einrichtung der „Schatzkammer“. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, Martin Wetzel, 2023.

Jugend-Akademie 2023

 

Die diesjährige Jugend-Akademie „Die Grubenbahn: Schienengebundener Transport im Wandel der Zeiten“ richtet sich an Schulklassen (7. bis 13. Klasse) und Jugend-Gruppen (ab 12 Jahren). Vom Juni bis zum Oktober besteht die Möglichkeit tägliche Führungstermine abzusprechen.

Mit der Grubenbahn fahren Schüler:innen an den Arbeitsplatz der ehemaligen Rammelsberger Bergleute. Doch die historische Entwicklung des Schienenverkehrs blickt auf eine lange Geschichte zurück. Welche Rohstoffe wurden aus dem Bergwerk zur Verhüttung transportiert und vor allem mit welchen Transportmitteln? Die Geschichte der Transportwege verbirgt einige Überraschungen und nachhaltige Erkenntnisse. Denn ohne den Erztransport wäre der Handel mit dem Rammelsberger Erz und den daraus hergestellten Produkten nicht möglich gewesen. Und auch sämtliche benötigten Werkzeuge, das Holz zum Abstützen der Grubenbaue und die arbeitenden Bergleute, alles musste entweder zu Fuß und mit Hilfsmitteln und später mit Hilfe von Maschinen und Fahrzeugen in den Berg und aus der Tiefe des Berges herausgeholt werden.

Am Anfang brachte der Bergmann das Erz mit Trog, Korb oder hölzernen Erztrage zu einem Förderkübel, der an einem Seil hing, das mit dem Handhaspel nach über Tage gezogen wurde. Dort luden wieder andere Bergleute das Gestein in eine so genannte Laufkarre und schoben diese bis zu einem Verhüttungsplatz, wo das Erz geröstet und das Metall gewonnen wurde. Bei der diesjährigen Jugend-Akademie können Schüler:innen Erztrage und Laufkarre auch praktisch ausprobieren.

Laden mit Kratze und Trog. © Weltkulturerbe Rammelsberg, Foto: S. Sobotta

Bei größeren Erzmengen nutzte man schon im Mittelalter so genannte hölzerne Förderwagen, Hunte genannt. Der Hunt beförderte das Erz vom Abbauort unter Tage aus dem Berg heraus. Huntsläufer wurden die Bergleute genannt, die diese Wagen durch  die dunklen Strecken bis zu einer Sammelstelle schoben. Das war eine sehr anstrengende Arbeit.

Die Arbeit im und am Berg stellte die Bergleute vor immer neue Herausforderungen und so dachten sie stetig über Arbeitserleichterungen nach. Die Probleme waren der Motor für neue Erfindungen. Eine der großartigsten Erfindungen des Transports ist die Schiene! Man kann ohne Übertreibung sagen, dass die Idee aus dem Bergbau, einen Wagen über Schienen laufen zu lassen, der Vorläufer für das gesamte Eisenbahnwesen war. Und nach der Verwendung von Holzschienen, Spurlatten genannt,  auf denen die Hunte liefen, wurden erstmals vor 170 Jahren auch am Rammelsberg Eisenschienen eingeführt. Als Förderwagen setzte man dann die so genannten „Englischen Hunte“ ein, die pro Wagen 2 Tonnen Erz fassen. Entleert wurden sie durch Kippen nach der Stirnseite. Nachdem aus den Holzkästen der Förderwagen Eisenkästen wurden, änderte sich die eckige Form nach und nach in eine runde Muldenform. Und als schließlich Grubenlokomotiven eingeführt waren, fertigte man noch größere Förderwagen aus Eisenblech, die Seitenkipper.

In der Rammelsberger Grubenbahn. © Weltkulturerbe Rammelsberg, Foto: S. Sobotta 

Viele dieser Grubenwagen können am Rammelsberg betrachtet werden und bei der Jugend-Akademie begutachten wir auch die Entwicklung der Schienen ganz genau. Eine Harzer Besonderheit sind die so genannten Hammelpfoten. Bei einer praktischen Aufgabe können diese zu einer kleinen    Gleistrecke zusammengesetzt und „befahren“ werden. Theorie und Praxis halten sich bei der gesamten Aktionsführung die Waage, so dass keine Langeweile aufkommt und das Lernen Freude macht.

Auch die Entwicklung der Schienenfahrzeuge und der verschiedenen Antriebe sind Gegenstand der Führung. Vor Ort können Fahrdrahtloks und auch historische Akkuloks ganz genau betrachtet und bewundert werden. Selbstverständlich ist, wie anfangs erwähnt, der Höhepunkt der Jugend-Akademie eine Fahrt mit der gelben Grubenbahn, gezogen von einer Akkulok! Unter Tage betrachten die Schüler:innen die so genannte Seilförderung am Richtschacht, die Erzförderung mit dem Schrapper und erproben unter anderem die händische Erzförderung mit den Werkzeugen Kratze und Trog.

Eine weitere Besonderheit der Aktionsführung stellt anschließend eine Fahrt mit dem Rammelsberger Schrägaufzug dar. Mit ihm geht es auf Schienen den Berg hinauf und auf der obersten Ebene der Erzaufbereitung zeigen wir eine wirklich spektakuläre Erfindung in Aktion: den Granby-Wagen. Dies ist ein Förderwagen, der dank seiner Konstruktion in Verbindung mit den konstruierten Gleisen, das Rammelsberger Erz selbsttätig abkippen kann. Mit Hilfe von Modellen haben die Schüler:innen schließlich die Möglichkeit sowohl Granby-Wagen, als auch die Schrägförderanlage noch besser zu verstehen und deren Funktion auszuprobieren.

Diese Aktionsführung ist ein Angebot unser Programme mit dem Schwerpunkt „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und dauert inklusive fünfzehnminütiger Pause etwa 2,45 Stunden.

Werkschau Martin Gremse: Skulpturen – Bilder – Installationen

Von Dr. Johannes Großewinkelmann

 

Am Sonntag, den 16. April wurde im Schwerspatraum des Weltkulturerbes Rammelsberg eine Sonderausstellung mit Kunstwerken des Goslarer Künstlers Martin Gremse eröffnet. Es ist eine Werkschau, die das vielfältige künstlerische Schaffen von Martin Gremse präsentiert.

Der Künstler

Martin Gremse wurde am 16. Oktober 1983 in Goslar geboren. Schon in jungen Lebensjahren suchte er nach künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten. Früh erlernte er Siebdrucktechniken und begab sich auf die Suche nach dem eigenen künstlerischen Weg. Prof. Gerd Winner und Hajo Schulpius waren dabei wichtige Lehrer, Ratgeber und Wegbegleiter.

Neben Bildern, die sich immer wieder mit dem Thema der Spiegelungen des eigenen Ichs beschäftigten, experimentierte er mit Formen. Seiner naturwissenschaftlichen Neugier konnte er im Medizin-Studium mit dem Schwerpunkt Neurobiologie in Halle (2006 bis 2014) verfolgen. Es war für ihn eine Ergänzung für sein künstlerisches Schaffen.

Neben seiner Arbeit als Arzt blieb die Sehnsucht nach künstlerischem Ausdruck und Experimenten der wichtigste Teil seines intensiven Lebens. Die Arbeit im Atelier in Goslar wurde zur Suche nach Wahrheit und Grenzen der Transzendenz. Seine Kunstwerke sind Ausdruck dieser Suche. Inspirationen für seine Kunst fand er auf seinen Reisen in die ganze Welt. Neben einem dreimonatigen Praktikum in einer Favella in Brasilien, einer Pilgerreise auf dem Jakobsweg in Spanien, Seminarreisen nach Israel, Sizilien und Weißrussland, war Martin Gremse in vielen europäischen und außereuropäischen Ländern unterwegs. Bis zu seinem Tod am 5. Juni 2020 arbeitete er als Psychiater in der Universitätsklinik Bern. Der Ort seines künstlerischen Schaffens blieb aber über zwanzig Jahre Goslar.

Silber als Mittel einer einzigartigen Bildsprache

Die Verwendung von Silber durch Martin Gremse zur Beschichtung von Acrylgemälden und Glasskulpturen hat das Weltkulturerbe Rammelsberg zum Anlass genommen, die Werkschau zu präsentieren. Silber war ein wichtiges Mineral aus der Rammelsberger Erzlagerstätte. Der Silbergehalt der Lagerstätte lag immerhin bei durchschnittlich 120 Gramm pro Tonne. Das Edelmetall Silber besitzt einen hohen materiellen Wert. Besonders im Mittelalter weckten die Silberfunde im Rammelsberg die Begehrlichkeiten der damaligen Herrscher. Bereits im 10. / 11. Jahrhundert wurde aus dem Rammelsberger Silber Münzen geprägt. Goslar errichtete um 1500 eine eigene städtische Münzprägestätte, die bis Ende des 18. Jahrhunderts arbeitete. 1839 begann die Verwendung von Silber in der Fotografie mit der bahnbrechenden Entdeckung der Belichtung von silberhaltigen Beschichtungen. Die Verwendung von Silbersalzen in der Fotografie und Fotochemie war bis zum Durchbruch der digitalen Abbildungstechniken ein bedeutender Einsatzbereich dieses Edelmetalls. Heute wird Silber noch zur Herstellung von Schmuck- und Kunstgegenständen, Geschirr, Bestecken und in der Mikroelektronik genutzt.   

Martin Gremse entwickelte in einem intensiven Prozess des Experimentierens mit verschiedenen Oberflächen (Holz, Leinwand, Gewebe, Papier, Stahl, Emaille, Glas) eine Technik der Versilberung seiner Bilder und Skulpturen. Er setzte dabei chemische Beschichtungen, physikalische Reinigungsverfahren, extreme Temperatureinwirkungen, Ätzungen und Versiegelungsprozesse ein. Durch das Silber verändern sich die Bilder von Martin Gremse auch nach der Fertigstellung fortwährend, weil die Schwefelverbindungen in der Luft die Farbigkeit des Silbers hin zu bronze-, kupfer- und goldfarbenen Aussehen verändern.

„Auf die Idee gekommen, mit Silber zu arbeiten, bin ich während meines Medizinstudiums. Es ist sozusagen die Weiterentwicklung der künstlerischen Erfahrungen, die ich beim Siebdruck gesammelt habe. Weil Silber das Material mit der höchsten Lichtreflexion ist, habe ich angefangen, damit zu experimentieren und zu malen. Dabei habe ich mit keramischen Farben auf Stahl gemalt und mit Schwarz-Weiß Fotografien die Motive bestimmt. So ist es mir gelungen die Lichtmalerei aus der Fotografie mit haptischer Malerei zu verbinden.“ (Martin Gremse)

Die großformatigen Bilder sind in z.T. in den Raum gehängt. Dadurch wirken sie wie Raumteiler und strukturieren die Ausstellungsfläche. Foto: Ipek Canbazer

 

Zum Aufbau der Sonderausstellung

Mit Stellwänden wurde innerhalb des Ausstellungsbereichs ein Raum abgeteilt, in dem mit Mobiliar aus dem Atelier von Martin Gremse eine Launch-Atmosphäre geschaffen wurde. In den originalen Sitzgelegenheiten aus der ehemaligen Künstler-Werkstatt kann ein ca. 15minütiger Film angeschaut werden, in dem Martin Gremse sehr private Einblick in seine Gedankenwelt gibt. Die Launch ist mit Bildern und Gegenständen ausgestattet, die ein Stück weit die Arbeit des Künstlers aufgreifen. 

Mit dem Mobiliar aus dem Künstleratelier wurde innerhalb der Sonderausstellung eine Launch-Situation geschaffen. Foto: Ipek Canbazer 

Die Außenwände dieses Launchbereichs sind mit Angaben zur Biografie und Zitaten von Martin Gremse über seine Kunst und seine spezielle Technik gestaltet.

Großformatige Bilder aus dem Oeuvre des Künstlers bilden vier Kabinette, in denen Besucher:innen die Ausdruckkraft dieser Werke wahrnehmen können.

Auf kleinen Bühnen stehen vor dem Fensterband des Schwerspatraums die von Martin Gremse zuletzt geschaffenen silbernen Glasskulpturen. Sie werden nicht durch eine künstliche Ausstellungsbeleuchtung angestrahlt. Das durch die Fenster einfallende Tageslicht bestimmt ihr Erscheinungsbild innerhalb der Ausstellung und das verändert sich im Tagesablauf mit wechselndem Lichteinfall.

In einem Werkstattbereich können Besucher:innen auf kleinformatigen Papiervorlagen selber aktiv werden und Inspirationen aus der Ausstellung mit eigenen Ideen künstlerisch zu Papier bringen.

 

Veranstaltungen im Rahmen der Sonderausstellung

Vortrag: „Vom Silber des Rammelsbergs zum künstlerischen Werk Martin Gremse“
Darstellung der prägenden Bedeutung von Silber als Münzmetall, in Wissenschaft und Technik bis zur darstellenden Kunst.
Referent: Prof. Dr. Kaufmann
7. Mai, 11.00 Uhr, Schwerspatraum, kostenfrei

Galerieabend mit Lesung und interaktivem Dialog
Lesung aus „ Der Doppelgänger “ von Fjodor M. Dostojewski in der Bearbeitung von Clemens Mädge. Gelesen von Magdalene Artelt und Marie-Thérèse Fontheim.
Nach der Lesung gibt es einen Austausch zum Thema “Spiegelungen und ihre Facetten: gesellschaftspolitische, physiologische und psychologische Gedanken“ mit Sabine Fontheim und Gertrude Endejan-Gremse.

  1. Juni, 19.00 Uhr, Schwerspatraum, Kosten: 15 €

Nähere Informationen zum Veranstaltungsprogramm im Rahmen der Sonderausstellung finden Sie auch auf unserer Homepage www.rammelsberg.de

Einige Gedanken zu kultureller Nachhaltigkeit

 

Der ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammende „ökonomische Ansatz“ einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Waldes, das heißt der Absicherung der Zukunftsfähigkeit forstwirtschaftlicher Tätigkeit, ist in sehr unterschiedlichen Interpretationsansätzen seit den 1990er Jahren zum politisch-ökologischen Schlagwort oder gar manchmal Kampfbegriff transzendiert.
Nachhaltigkeit steht heute für den Versuch eine Balance zwischen Gebrauch, Nutzung und Vernutzung der gesamten Ressourcen eines Planeten zu finden und dabei die hierzu notwendigen Prozesse so zu organisieren, dass durch sie hervorgerufene Störungen das Gesamtsystem nicht bedrohen. Man könnte auch sagen, es ist ein Prozess einer sich verändernden Bedeutungszuschreibung: primäre Relevanz hat nur noch, was das gesamte System zukunftsfähig macht und für alle dort existierenden Lebewesen eine positive Existenzsituation hervorbringt.
Dieses stark reduzierte Bild ist natürlich gegenwärtig nicht realitätstauglich und steht im Gegensatz zu unserer Alltagsrealität und zu zahlreichen Verhaltensweisen unserer politischen Handlungsträger.

Welchen Platz hat Kultur oder besser gesagt Weltkultur in diesem Kontext?

Vom gedanklichen Ansatz her sind die kulturellen Welterbestätten quasi per Definitionen nachhaltig. Sie sind einmalige historische Zeugnisse sehr spezifischer menschlicher Verhaltensweisen, wobei jede einzelne symbolhaft für das gesamtkulturelle Handeln der Menschen zu verstehen ist. Ihnen wird gleichermaßen ein überzeitlicher Erhaltungsauftrag zugeschrieben. Das heißt, das Bewahren von Artefakten und das Entwickeln derselben, ohne diese zu zerstören oder zu vernutzen, ist Grundlage des Seins einer kulturellen Welterbestätte.
Kulturelles Welterbe scheint also per se nachhaltig zu sein- auch dieser Ansatz ist natürlich stark verkürzt, bietet aber eine bedenkenswerte Perspektive, wenn wir ihn in Beziehung zu unserer kulturellen Alltagspraxis setzen.

Schauen wir uns den umgebenden Raum an, so müssen wir feststellen, dass wir unsere Lebenswelt mit mehr oder weniger kurzlebigen Benutzeroberflächen überziehen, ohne uns die Frage zu stellen, wie sinnvoll oder für wie lange die vorgenommene Veränderung – die oft nicht reversibel ist – für uns oder für zukünftige Generationen ist. Kurz gesagt, der Nutzen unserer Maßnahmen ist oft auf historisch gesehen extrem knappe Zeiträume ausgelegt und muss in seiner Konsequenz eher als Verbrauch bezeichnet werden. In diesem Kontext begegnet uns des Öfteren der Begriff des Landschaftsverbrauchs, der eine zunehmende Überformung mit kurzfristigen Gebrauchsformen meint, die unwiederbringlich bestehende Ökosysteme zerstören.
Dem voraus gehen allerdings Ausdrucksformen der Mentalität und des Zeitgeistes, die den subjektiven Verbrauch quasi als selbstverständlichen Daseinszustand betrachten. Diese Herrschaft des Verbrauchs ist den meisten Menschen noch im Bereich der Erzeugung und Nutzung von Kriegsmaterial erklärlich. Die Produktion eines Panzers dient dem ausschließlichem Sinn selbigen oder einem anderen ähnlicher Bauart zu „Verbrauchen“.
Deutlich schwieriger nachvollziehbar ist für viele Menschen das „Verbrauchsgut Zeitgeist“. Zu erleben ist dieses in einer seit rund 40 Jahren stattfindenden komplexen Eventisierung des Landschaftraums. Mögen die ersten Baumwipfelpfade noch das höhere Ziel gehabt haben, die Flora und Fauna des Waldes aus einer anderen Perspektive näher zu bringen, so sind die Waldbewohner inzwischen vor der Vielzahl der Menschen längst ausgezogen und die Wipfelpfade mit Hochzeitsfeiern und Feuerwerken längst zur Eventlocation mutiert.

Wäre diese Umgangsform mit unseren Lebensraum nur privatwirtschaftlich organisiert, könnte man dies als systemische Entscheidung wohl noch hinnehmen. Indes werden mit öffentlichen Mitteln mitfinanzierte „Aussichtstürme ins Nichts“ oder „schwebende Brücken für Nervenkitzel“ erstellt, deren relevante Halbwertzeit deutlich unter der eines Menschen liegen dürfte. All diese Formen der sinnlosen Inszenierung des Alltags stehen in diametralen Gegensatz zu einer nachhaltigen Entwicklung. Getragen sind diese Prozesse – jenseits ökonomischer Interessen – von einer Mentalität der „Unmittelbarkeit“, das heißt von dem Bedürfnis etwas vermutlich Erwünschtes quasi von heute auf morgen zu realisieren, ohne es auf seine Sinnfälligkeit oder seinen langfristigen Nutzwert zu überprüfen.

Nachhaltigkeit im Umgang mit unseren kulturellen Ressourcen erfordert den Willen zur Reflexion, zur Abkehr von einer „Amazon-Mentalität“ und die Bereitschaft die Dinge des Tuns auf ihren langfristigen Nutzen zu hinterfragen. Soziale, ökologische und kulturelle Nachhaltigkeit ist nur dann zu realisieren, wenn man den „Zeitgeist gegen den Strich bürstet“.

Ein Fotowalk im Erzbergwerk Rammelsberg

Ein Gastbeitrag vom Grubenführer und Profi-Fotografen Stefan Sobotta

Ein Fotowalk im Erzbergwerk Rammelsberg ist ein einzigartiges Erlebnis, das sich allen Fotograf:innen empfiehlt. Es ist nicht nur ein Ort von historischer Bedeutung, sondern auch ein Ort, an dem das Leben der Bergleute durch die Fotografie sichtbar gemacht werden kann.

Bereits beim Betreten des Bergwerks wird klar, dass dies kein gewöhnlicher Ort ist. Die Dunkelheit und die ungewöhnliche Akustik der Stollen schaffen eine Atmosphäre, die den Besucher sofort in eine andere Welt entführt. Die Enge untertage, die schweren Maschinen und das Gestein, das von den Wänden herabzudrücken scheint, sind eine Herausforderung für die Fotograf:innen. Aber es ist auch eine Chance, die Lebenswelt der Bergleute und ihre Arbeit im Bergbau aus einer ungewöhnlichen Perspektive zu dokumentieren.

Bei diesen Veranstaltungen ist reichlich Zeit, alle Motive einzufangen. Zeit, die die Teilnehmenden genutzt haben, um ihren eigenen Stil umsetzen zu können und die Bilder zu machen, die sonst nicht möglich sind. Unterstützung bietet dabei Grubenführer und Medienprofi Stefan Sobotta, der die meisten Fotos und Videos im Marketing von Erzbergwerk und Stiftung Welterbe im Harz erstellt hat. Er kennt die Geheimnisse des authentischen Ortes und ist gleichzeitig perfekt in der Kamerabeherrschung. Mit Stefan Sobotta ging es zum Rammelsbergschacht, an das letzte vorhanden Kunstrad, in 200 Jahre alte Stollen mit ihren bunten Vitriolen und in die Stille der inneren Umfahrung. Orte, an die normale Gäste sonst nicht kommen.

Kunstrad © Susanne Borkott

Das Fotografieren im Bergwerk macht besonders viel Spaß, weil man hier eine Vielzahl von Techniken anwenden und ausprobieren kann. Im Dunkeln zu fotografieren erfordert ein Verständnis für Belichtungszeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit. Aber es ist auch eine Chance, die Technik des Lightpaintings anzuwenden. Beim Lightpainting wird mit einer Lichtquelle eine Langzeitbelichtung gemacht, um spektakuläre Effekte zu erzielen. Dadurch lassen sich im Bergwerk wunderschöne Bilder von den Maschinen, den Gängen und den Felsen kreieren, die man so nirgendwo anders findet. Eine Grubenlok wird so lebendig, die Strukturen der Schachtanlagen am Rammelsberg treten ebenso hervor wie farbige Vitriole in den alten Stollen.

Lightpainting © Julian Wacknitz

Das Fotografieren im Dunkeln birgt jedoch auch Herausforderungen. Das schwache Licht erfordert lange Belichtungszeiten, was bedeutet, dass die Kamera stabil gehalten werden muss, um Verwacklungen zu vermeiden. Es ist auch schwierig, das richtige Gleichgewicht zwischen Licht und Schatten zu finden. Aber diese Herausforderungen bieten auch Chancen, um kreativ zu werden und neue Techniken auszuprobieren. Die Fotograf:innen haben sich begeistert in diese Aufgabe gestürzt und spannende Ergebnisse mit nach Hause genommen.

Die besondere Atmosphäre in den Stollen ist dabei schwer in Worte zu fassen. Es ist ein Ort, an dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint und an dem man das Gefühl hat, dass man allein mit der Geschichte des Bergwerks ist. Die Geräusche der Maschinen und das Tropfen des Wassers schaffen eine ungewöhnliche Akustik, die den Besucher in eine andere Welt entführt. Die Atmosphäre ist so besonders, dass man sie am besten selbst erleben muss. Es ist ein inspirierender Ort, der mit allen Sinnen erfasst werden kann.

Schwarzweiß Bildauswahl © Kerstin Kumpe

Insgesamt ist ein Fotowalk im Erzbergwerk Rammelsberg ein einzigartiges Erlebnis, das sich allen Fotograf:innen empfiehlt. Es ist ein Ort, an dem die Lebenswelt der Bergleute sichtbar gemacht werden kann und an dem man seine Fähigkeiten verbessert und neue Ideen entwickelt. Die Herausforderungen des Fotografierens im Dunkeln bieten Chancen, um kreativ zu werden und neue Techniken auszuprobieren. Die besondere Atmosphäre in den Stollen ist ein unvergessliches Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst.

Gemeinsam sind wir stärker!

Schulkooperationen und SCHULE:KULTUR! am Rammelsberg 

Die Grundlage eines jeden Museums und im Besonderen einer jeder Welterbestätte ist deren Bildungsarbeit. Die wichtigste Zielgruppe sind hier Schüler:innen aller Altersstufen und Schulformen. 

Die unmittelbare Begegnung mit dem authentischen Ort, den originalen Zeugnissen und Objekten fördert deren kulturelle Kompetenz und bereichert und ergänzt die schulische Unterrichtsgestaltung. 

Am Rammelsberg gibt es seit nunmehr 25 Jahren Schulpartnerschaften, doch die Zusammenarbeit mit Schulen wurde im Laufe der Jahre stetig intensiviert, evaluiert und professionalisiert. 

Seit Jahren nutzen wir zudem die Unterstützung durch zusätzliche Projekt-Fördermitteln des Landes Niedersachsen, zum Beispiel durch das Programm SCHULE:KULTUR! Niedersachsen. Dessen Ziel es ist, einen ganzheitlichen Schulentwicklungsprozess durch Kulturelle Bildung anzustoßen. Dabei soll Kulturelle Bildung ein Lernprinzip und Gestaltungselement im gesamten Schulalltag werden. Kulturelle Methoden werden in den Unterricht aller Fächer integriert.

Dieses ganzheitliche Prinzip deckt sich auch mit den Bildungsrichtlinien der Welterbe-Bildung! 

Schule:Kultur! © Schule:Kultur!

Zwei wichtige Schulpartner, mit denen wir aktuell kooperieren sind die Adolf-Grimme-Gesamtschule Goslar und die Berufsbildenden Schulen Goslar-Baßgeige/Seesen: 

Die Kooperation mit der Adolf-Grimme-Gesamtschule, Goslar besteht seit elf Jahren und sie begann mit einer großen lebendigen Projektwoche, die Schüler:innen, Lehrer:innen und Eltern gleichermaßen begeisterte. Sehr bald beschlossen wir, dass diese Zusammenarbeit dauerhaft sein sollte und formulierten einen gemeinsamen Kooperationsvertrag. Darin festgehalten wurde, dass es das oberste Ziel unserer gemeinsamen Arbeit sei, den Schüler:innen das Weltkulturerbe nahezubringen. Sie sollten ihr Kulturerbe vor Ort mit allen Sinnen erfahren, begreifen und sich für dessen Schutz einsetzen. Zudem sollten sie sich praktisch und theoretisch mit der Erhaltung von Gebäuden, Landschaft und Objekten auseinandersetzen und nicht zuletzt die Geschichte ihrer Stadt und deren enge Verknüpfung mit dem Bergbau kennenlernen. 

Nach ersten vielfältigen Projektideen, die gemeinsam entwickelt und durchgeführt wurden, wuchs das Bedürfnis, dieses Bildungs-Angebot fest in den Schulalltag zu integrieren, um dessen nachhaltige Wirkung zu verstärken. Zu diesem Zeitpunkt erfuhren wir von dem Förderprojekt Schule:Kultur!, das das Niedersächsische Kultusministerium, gemeinsam mit dem Ministerium für Wissenschaft und Kultur und der Stiftung Mercator 2014 zum ersten Mal initiierte und von der Landesvereinigung für kulturelle Jugendbildung (LKJ) organisiert wurde. Wir bewarben uns und wurden für die dreijährige Förderung ausgewählt. Gemeinsam entwickelten wir in diesen drei Jahren einen kulturellen Schulentwicklungsplan, der noch heute wirksam ist. Denn obwohl die Förderung inzwischen längst ausgelaufen ist, ist die Zusammenarbeit im Laufe der Jahre noch gewachsen und zahlreiche gemeinsame Projekte in den Bereichen Musik, Theater, Naturwissenschaften, Bildende Kunst und Geschichte sind zum Wohle beider Bildungseinrichtungen entstanden. 

Inzwischen ist die Adolf-Grimme-Gesamtschule eine anerkannte UNESCO-Projektschule und der Rammelsberg unterstützte die Schule bei dem hierfür notwendigen Anerkennungsprozess. 

Da Welterbe-Vermittlung den Menschen dabei hilft, einfache Wahrheiten zu entlarven und Nationalismus zurückzudrängen, war es beiden Bildungspartnern ein wichtiges Anliegen, die Themen Nationalsozialismus und Zwangsarbeit aufzugreifen. So zum Beispiel 2019 bei einem Projekt in Zusammenarbeit mit der Abteilung „Bildung und Vermittlung“ des Rammelsberges und dem Bund Deutscher Kriegsgräberfürsorge. Schüler:innen der Gesamtschule entwarfen eine Gedenktafel für die ehemaligen Zwangsarbeiter und stellten diese auf dem Alten Goslarer Friedhof auf. 

Im vorigen Jahr initiierten der Rammelsberg und die Arbeitsstelle für Montanarchäologie des Landesamtes für Denkmalpflege Niedersachsen ein Ausgrabungsprojekt am ehemaligen Barackenlager für männliche Zwangsarbeiter in der Nähe der Tagesanlagen des Rammelsbergs. Nach einer gemeinsamen schulischen Einführung in die Thematik beteiligten sich die Schüler:innen an den Grabungsarbeiten, reinigten gefundene Objekte und halfen, gemeinsam mit den Fachwissenschaftlern, diese einzuordnen.  

In diesem Jahr bietet sich für den Rammelsberg und die Schüler:innen der Schule die einzigartige Gelegenheit sich an dem Projekt: „Young Climate Action for World Heritage“ zu beteiligen. Das Projekt ist bereits gestartet und wird vom Institute Heritage Studies, Berlin, in Zusammenarbeit mit der Deutschen UNESCO-Kommission und dem Netzwerk UNESCO-Projektschulen initiiert. In diesem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekt setzen sich Schüler:innen aus mehreren Ländern mit den Auswirkungen des Klimawandels auf das UNESCO-Welterbe auseinander. Derzeit arbeiten zwei Arbeitsgruppen an der von ihnen selbst gewählten kreativen Auseinandersetzung mit der Thematik. Eine Gruppe befasst sich mit der Erstellung eines Escape-Games für Schulklassen. Die anderen Schüler:innen schaffen Werke der Bildenden Kunst. Am Projektende ist eine Präsentation der Werke geplant. Doch das wichtigste Projektziel ist die Auseinandersetzung der Schüler:innen mit dem Klimawandel in Bezug auf das Welterbe im Harz und die somit entstehenden Bewältigungs- und Lösungsansätze im persönlichen Erleben und gesellschaftlichen Handeln. 

Schüler des Projektes Young Climate Action für Worls Heritage_ Klimawandel Workshop Harz. Foto: Rammelsberg

Auch die Kooperation mit der Berufsbildenden Schule Goslar-Baßgeige/Seesen besteht bereits einige Jahre, aber die Intensität der Zusammenarbeit wird momentan verstärkt. 

Vor vier Jahren führte der Fachbereich Gestaltung der Fachoberschule, gemeinsam mit der Abteilung „Bildung und Vermittlung“ des Rammelsberges, ein künstlerisches und vielschichtiges Fotoprojekt am Rammelsberg durch. Die bemerkenswerten Schüler:innenarbeiten hinterließen bei allen Beteiligten einen nachhaltigen Eindruck und so entwickelte sich schließlich der Wunsch nach einer intensiveren Zusammenarbeit. 

Die wichtigste inhaltliche Schnittmenge beider Bildungseinrichtungen ist die „Kultur der Arbeit“. Und sowohl die Schule, als auch die Welterbestätte sind überzeugt, dass Lehrer:innen, Schüler:innen und die „Bildung und Vermittlung“ am Rammelsberg vielschichtige neue Aktionen, Führungen, Projekte, Lerninhalte und Ideen entwickeln können, von denen beide Bildungsinstitutionen profitieren werden. 

Aus diesem Grund bewarben sich beide Institutionen bei dem Förderprojekt SCHULE:KULTUR! und inzwischen erhielten wir bereits den Zuschlag für die dreijährige Förderung. Eine erste gemeinsame Fortbildung, die für die Bildungspartner kostenfrei war, fand bereits in der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel statt. Des Weiteren startete ein Projekt mit dem Namen „Digitaler Rammelsberg“ mit Schüler:innen des Beruflichen Gymnasiums Technik und des Beruflichen Gymnasiums Wirtschaft der BBS Am Stadtgarten. In Kooperation mit der Abteilung „Bildung und Vermittlung“ des Rammelsbergs wird in diesem Schuljahr ein dreidimensionaler QR-Code oder RFID-Tag für den Rammelsberg entworfen. In den nächsten Wochen erwartet der Rammelsberg die ersten Schulklassen mit Sonderführungen für die Zweiradmechaniker.  

Schüler der BBS entwickeln erste Projektentwürfe für Rammelsberg Digital. Foto: Privat

Nach den Osterferien starten wir mit den Führungen für Lehrer:innen, die die einzigartige Möglichkeit haben, eigene Ideen für Projektvorschläge einzureichen und gemeinsam mit dem Rammelsberg zu entwickeln. 

Wir freuen uns sehr auf eine inspirierende, strukturierte und für die Schüler:innen lehrreiche und nutzbringende intensive Zusammenarbeit! Wir, das heißt beide Bildungspartner werden in den nächsten drei Jahren vielfältig über die Projekte berichten. 

Objektgeschichten: z.B. Büromaschinen aus der Bergwerksverwaltung

Historische Darstellungen zur Geschichte des Erzbergwerks Rammelsberg beschreiben überwiegend die Arbeit der Bergleute unter Tage. Die Arbeit über Tage, insbesondere die Verwaltungsarbeit in den Büros, findet in der Regel nur wenig Beachtung. Dabei werden die Aufgaben der Bergwerksverwaltung des Rammelsberges ab Ende des 18. Jahrhunderts immer umfangreicher. Sie erreichen nach der Gründung der Preussischen Bergwerks- und Hütten-AG (Preussag) 1923 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs einen ersten Höhepunkt.

Bereits ab den 1920er Jahren und dann nach 1945 nimmt in den Büros der Bergwerksverwaltung in der jungen Bundesrepublik Deutschland die Technisierung der Büroarbeit ein immer schnelleres Tempo auf. Dabei steht die technische Verbesserung der Schreibarbeit durch zunächst mechanische, dann elektrische Schreibmaschinen und schließlich durch die Computertechnik im Mittelpunkt der Entwicklung.

Auch am Erzbergwerk Rammelsberg fand diese technische Entwicklung der Büroarbeit statt. Sie ist in einem Objektbestand abzulesen, der 2020 vom Weltkulturerbe Rammelsberg aus der Preussag-Verwaltung in die Museumssammlung übernommen werden konnte.[1] In diesem Bestand befinden sich Schreib- und Rechenmaschinen, Diktiergeräte und Telefone aus der Zeit zwischen den 1940er und den 1990er Jahren. Einige dieser Büromaschinen stellen wir im Folgenden vor:

Mechanische Rechenmaschine D 13 Z-1 der Brunsviga Maschinenwerke AG (Braunschweig), 1940er Jahre.
„Gehirn von Stahl“, mit diesem Werbeslogan warben die Brunsviga-Maschinenwerke und entwickelten für die
rechenintensive Vermessung – im Bergbau MarkscheidewesenGenannt – die D 13 Z-1.
Mit dieser Doppelmaschine kann auf der einen Seite addiert / multipliziert und auf der anderen Seite
subtrahiert / dividiert werden.

 

Diktiergerät für Magnettonplatten der Fa. Assmann (Bad Homburg), 1960er Jahre. Mit einem Diktiergerät konnte die Formulierung eines Briefes getrennt und zeitversetzt vom Schreiben ausgeführt werden. Das Diktat wurde auf eine in der Rille der Platte aufgebrachten Magnetspur aufgezeichnet und wie bei einem Plattenspieler abgespielt.

 

Mechanische Schreibmaschine Adler-Werke (Frankfurt), 1950er Jahre. Die Adler-Werke produzierten Fahrräder, Motorräder, Autos, Werkzeugmaschinen und nach dem Zweiten Weltkrieg bis 1998 Büromaschinen.

 

Kofferschreibmaschine der Adler-Werke (Frankfurt), 1960er Jahre. Die Adler-Junior 3 war eine kleine, relativ leichte Kofferschreibmaschine. Sie wurde unter Tage eingesetzt, um hier wichtige Schriftstücke in gut lesbarer Schrift schreiben zu können.

 

Tischtelefon mit Drehscheibe der Fa. Siemens & Halske, 1960er Jahre. Telefone mit Drehscheibe zur Anwahl der Telefonverbindung waren seit dem Ersten Weltkrieg über Jahrzehnte das wichtigste Telekommunikationsgerät in den Verwaltungen. Ab den 1970er Jahren übernahmen Tastenfelder die Anwahl der Telefonnummer.

 

Mechanische Rechenmaschine der schwedischen Fa. Addo, 1950/60er Jahre. Die Addo-X 2000 konnte das
Ergebnis des Rechenvorgangs auf einen Druckstreifen dauerhaft festhalten.

 

Kugelkopfschreibmaschine der Internationalen Büro-Maschinen Gesellschaft mbH (IBM),
1980er Jahre. Bei den elektrisch angetriebenen Kugelkopfschreibmaschinen von IBM konnten durch den
Wechsel des Kugelkopfes schnell die Schriftenarten gewechselt werden. Zusätzlich verfügte das Gerät über ein
Korrekturband zur Korrektur von Tippfehlern. Die Kugelkopftechnik von IBM setzte sich langfristig
nicht gegenüber der Typenradtechnik durch.

 

Elektrische Schreibmaschine „Supertype“ Olympia-Werke (Wilhelmshaven), 1990er Jahre.
Typenradschreibmaschine, die später auch an einen Computer als Drucker angeschlossen werden konnte. Die
Schreibmaschine besaß bereits einen kleinen Speicher mit Display. Es konnte eine bestimmte Anzahl von
Zeichen gespeichert und im Display korrigiert werden.

 

Elektronische Schreibmaschine mit Speicher und Diskettenlaufwerk der Triumph
Adlerwerke (TA), 1990er Jahre. Die Tastatur ist bereits nicht mehr in die Schreibmaschine integriert, sondern
über ein Kabel angeschlossen, so wie es für die späteren Büro-Computer üblich wurde. Bei der Arbeit mit
diesen Maschinen stand erstmalig ein Medium zur elektronischen Speicherung umfangreicher Texte zur
Verfügung. Außerdem konnte vor dem Ausdruck auf einem kleinen Display der Text überprüft werden. Im
Umgang mit diesen Maschinen wurden die Büroangestellten der Preussag in betriebseigenen Kursen geschult.

Fotos: Sammlung Weltkulturerbe Rammelsberg

[1] Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle Frau Monika und Herrn Klaus Schlamelcher. Frau Schlamelcher hat mich auf die Preussag-Sammlung aufmerksam gemacht. Herr Schlamelcher hat als Büromaschinenmechaniker jahrelang die Bürotechnik der Preussag im Verwaltungsgebäude an der Rammelsberger Straße betreut. Ohne ihre freundliche Unterstützung hätte ich die Geschichten zu den Büromaschinen nicht entdeckt! 

Der Rathstiefste Stollen

Des „Rates der Stadt Goslar tiefster Stollen“, ist der älteste bekannte Wasserlösungsstollen des Rammelsberges.
Ein Wasserlösungsstollen ist ein Stollen, der der Wasserableitung in einem Bergwerk dient und im Prinzip wie ein Abflussrohr funktioniert. Der Rathstiefste Stollen ist ca. 1.000 Meter lang und erstreckt sich grob beschrieben ausgehend von der Buswendeschleife am Werkstor unter dem heutigen Museumsgelände durch in Richtung der Rammelsberger Straße, deren Verlauf er bis auf das Gelände des Theresienhofes folgt.
Vermutlich wurde der Stollen im Gegenortbetrieb aufgefahren. Zu diesem Zweck wurden insgesamt zehn sog. Lichtlöcher definiert. Lichtlöcher sind senkrechte Baue (Schächte), die von übertage bis auf das Niveau des späteren Stollens reichten. Von diesen Punkten aus wurde dann der eigentliche Stollenvortrieb in zwei Richtungen vorgenommen. Das spart zum einen Zeit und zum andern war durch die Lichtlöcher die Frischwetterversorgung sichergestellt und der Weg des Abtransports des gelösten Materials kürzer.

Auf das Niveau des Stollens wurden die Grubenwässer gepumpt, welche dann dem Gefälle folgend in dem Stollen in Richtung Stadt abgeleitet wurden. In der Mitte des 15. Jahrhunderts erreichte der Bergbau am Rammelsberg allerdings immer größere Tiefen. Mit zunehmender Tiefe  wurde das Ausbringen des anfallenden Grubenwassers ein immer größeres Problem. Der Rathstiefste Stollen, als bisheriger Wasserlösungsstollen, lag inzwischen zu hoch um dieser Aufgabe in Gänze nach zu kommen. Daher beschloss 1484 der Rat der Stadt Goslar einen neuen Wasserlösungstollen ca. 45 m unterhalb des Niveaus des Rathstiefsten Stollens anlegen zu lassen. Der Bau des neuen Stollens dauerte knapp 100 Jahre, erst 1585 konnte der als Tiefer Julius Fortunatus Stollen (TJFS) bezeichnete neue Rammelsberger Wasserlösungstollen seine Funktion übernehmen.
Funktionslos wurde der Rathstiefste Stollen dadurch nicht, durch ihn wurden auch weiterhin Abwässer der höhergelegen Kunsträder abgeführt. Auch die Inbetriebnahme der untertägigen Maschinerie, die wir heute als Roeder’sches System bezeichnen, änderte nichts an der Funktion. Ab 1805 wurde das Brauchwasser, welches Roeder über seine vier Räder arbeiten lies durch den Rathstiefsten abgeleitet. Das durch die beiden Roeder’scher Kunsträder gepumpte Grubenwasser hingegen floss durch den tiefergelegenen TJFS ab. Der Abfluss des Brauchwassers durch den höher gelegenen Rathstiefsten Stollen war eine Auflage der Stadt Goslar, weil nur so in der weiteren Folge ausreichende und kontinuierliche Wassermengen für die städtischen Mühlen gewährleistet waren.

Der Rathstiefste Stollen war bis vor kurzem Gegenstand einer groß angelegten wissenschaftlichen Untersuchung, die u.a. der Frage nachgegangen ist, wie alt der Stollen eigentlich ist.
Ältere Forschungen aus den 1930er Jahren gingen von einer Entstehungszeit aus  der Mitte des 12. Jahrhundert aus, bezugnehmend auf die erste schriftliche Erwähnung aus dem Jahre 1271, als der Stollen schon im Betreib war. Jedoch belegen die neuern Forschungen, dass zumindest ein Teil des Stollens schon um das Jahr 900 bestand. Die teilweise spektakulären Ergebnisse dieser Forschung finden Sie hier:

Altbergbau 3D

Erleben können Sie den Rathstiefsten Stollen auf einer unserer Abenteuerführungen, die wir nach der Coronapause seit Jahresanfang wieder regulär im Programm haben:

Abenteuer Mittelalter – Der Rathstiefste Stollen

Durch den Rathstiefsten Stollen (c) Weltkulturerbe Rammelsberg / Sobotta, VISUM

19-Lachter-Stollen zieht unter das Dach der Stiftung Welterbe im Harz ein

In diesem Beitrag möchten wir ein Thema aus dem Welterbe im Harz in den Fokus rücken. Denn mit dem Jahreswechseln sind die Kolleg:innen vom 19-Lachter-Stollen aus Wildemann unter das Dach der Stiftung Welterbe im Harz eingezogen. Dazu ein herzliches Glückauf! 

Die Vorgeschichte

Als im Jahr 2016 das von der Kulturstiftung des Bundes als Modellprojekt geförderte TRAFO-Projekt „Harz | Museen | Welterbe“ startete, war eines der Ziele eine gemeinsame Trägerschaft anzustreben, um Synergien zu heben, aber auch um die Einrichtungen im Welterbe stärker zusammen wachsen zu lassen und sie zukunftsfähig aufzustellen.

Nachdem im Juli 2022 der Aufsichtsrat der Kurbetriebsgesellschaft das Vorhaben positiv votierte, stimmte der Geschäftsbesorgung des 19-Lachter-Stollen durch die Welterbestiftung auch das Stiftungskuratorium Anfang Oktober zu. Am Freitag, den 11. November 2022 wurde der erste Schritt realisiert und der Vertrag zum Übergang in die Stiftung Welterbe im Harz unterzeichnet.

„Für die Kurbetriebsgesellschaft „Die Oberharzer“ mbH als Eigentümerin des 19-Lachter-Stollens in Wildemann ist es nun eine konsequente Weiterführung dieses TRAFO-Projekts, den Betrieb des 19-Lachter-Stollen in die kompetenten Hände der Stiftung Welterbe im Harz zu geben. In diesen herausfordernden Zeiten können durch den Zusammenschluss für wichtige Themen wie Weiterentwicklung und Professionalisierung der kleineren Einrichtungen Synergien viel besser genutzt werden“, so Bettina Beimel, Geschäftsführerin und Kurdirektorin der Kurbetriebsgesellschaft „Die Oberharzer“ mbH.

Auch Stiftungsdirektor Gerhard Lenz, der Stiftung Welterbe im Harz, blickt positiv auf die Zukunft: „ Wir freuen uns sehr, den 19-Lachter-Stollen in das „Welterbe-Haus“ aufzunehmen. Damit verbunden ist der Wunsch eines koordinierten Besucherservice und einer Qualitätssicherung und Qualitätsvermittlung für unsere Besucher, an zunehmend mehr Standorten in unserem Welterbe.“

Zum 19-Lachter-Stollen

Aber was erwartet die Gäste am 19-Lachter-Stollen:

Der 19-Lachter-Stollen in Wildemann ist der einzige für Besucher zugängliche Wasserlösungsstollen des Harzes und führt Sie rund 500 Meter weit in den Berg hinein. Mit dem Bau wurde im 16. Jahrhundert begonnen. Der Stollen diente der Wasserableitung aus den höher gelegenen Gruben bei Zellerfeld und Clausthal. Das Schwerpunktthema „Tiefe“ wird hier sinnlich erlebbar: Ein beeindruckendes Kehrrad von neun Metern Durchmesser dreht sich und Sie blicken von einer Brücke aus über 260 Meter tief in den eindrucksvoll ausgeleuchteten Ernst-August-Schacht aus dem 19. Jahrhundert.

Für einen weiteren visuellen Eindruck möchten wir einige Aufnahmen teilen, die letzten Sommer erst entstanden sind:

Exkursion 19-Lachter-Stollen (c) Stiftung Welterbe im Harz, A. Behnk

Zu erreichen sind die Kolleg:innen vom 19-Lachter-Stollen unter diesen Kontaktdaten:

19-Lachter-Stollen
Im Sonnenglanz 18
38709 Wildemann
Tel. 05323-6628
19-Lachter-Stollen@welterbeimharz.de
www.19-lachter-stollen.de 

Ein Beitrag von Ipek Canbazer und Jan Schüler.

Weihnachtsgruß 2022

Wir wünschen mit diesem Weihnachtsgruß all unseren Besucherinnen und Besuchern, Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartner und allen Freundinnen und Freunden des Welterbes im Harz schöne Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Mit dieser Videobotschaft, quer aus dem Welterbe, möchten wir uns bei Ihnen für das Jahr 2022 bedanken und freuen uns auf die gemeinsame Zeit in 2023.