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100 Jahre Preussag

Da am 1. Januar 1924 die PREUSSAG offiziell ihre Arbeit aufnahm, würde sich dieses Datum am Rammelsberg als ehemaligen PREUSSAG-Standort zum Jahreswechsel zu 100. jähren. Doch ganz so einfach war oder ist es nicht, obwohl der Name und Teile der Geschichte der PREUSSAG eng mit dem Rammelsberg verbunden sind. Ein Blick in die jüngere Firmen- und Betriebsgeschichte des Rammelsberges zeigt, dass teilweise Jahrhunderte alte Besitzverhältnisse die Betriebsstruktur des Bergwerkes Rammelsbergs bis weit die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein beeinflussten und die 100jährige Wiederkehr der PREUSSAG-Gründung am Rammelsberg eigentlich nur ein nebensächliches Datum darstellt.

Die Spuren der Betriebsgeschichte finden sich auch in der umgebenden Kulturlandschaft des heutigen Museums am Rammelsberg, Foto M. Wetzel

Die eigentliche Gründung der „Preußische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft“ (PREUSSAG) geschah auf gesetzlicher Grundlage vom 9. Oktober 1923. Alleinaktionär der AG war der Staat Preußen, der dadurch per Gesetz versuchte, den unwirtschaftlich gewordenen preußischen Staatsbergbau in einen erfolgreichen Gesamtbetrieb umzuwandeln. Trotz der staatlichen Teilhabe musste sich die neu geschaffene Firma auf dem freien Markt unter den wirtschaftlichen Gegebenheiten und Zwängen behaupten.

Das Bergwerk Rammelsberg konnte jedoch nicht einfach ein Teil der neuen PREUSSAG werden, da hier die gültigen Besitzverhältnisse der Harzer Kommunion im Wege standen, die ihren Ursprung durch den Riechenberger Vertrag teils schon im 16. Jahrhundert hatten. Seit 1820 wurden der Rammelsberg und die dazugehörigen Hütten zu einem Gesamtbetrieb zusammengefasst, der in Gemeinschaftsbesitz zu 4/7 dem Königreich Hannover und zu 3/7 dem Herzogtum Braunschweig gehörte. Nachdem das Königreich Hannover 1866 in das Staatsgebiet Preußens eingliedert wurde, gelangten dessen 4/7 des Besitzes am Rammelsberg in preußische Hand. An der Aufsplittung des Besitzes und an den Betriebsabläufen änderte sich dadurch nichts, außer dass das Allgemeine Preußische Berggesetz am Rammelsberg zur Geltung kam, was 1874 in einem Staatsvertrag zwischen Braunschweig und Preußen ratifiziert wurde und die über 300 Jahre alte Bergordnung Heinrichs des Jüngeren von 1555 ablöste.
Aufgrund der o.g. Aufsplittung des Besitzes konnte das Gesetz zur der „Preußische Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft“ für den Standort Rammelsberg also nicht zur Geltung kommen, da dies nur für fiskalische Bergwerks- und Hüttenanlagen galt, die auch 100% im Staatseigentum Preußen standen. Am Rammelsberg, mit seiner Sonderstellung, wurde daher am 30. Dezember 1924 die „Unterharzer Berg- und Hüttenwerke GmbH“ gegründet. Dem vorausgegangen war am 13. März 1924 die Übertragung der 4/7 des preußischen Besitzes an die PREUSSAG und die 3/7 braunschweigischen Anteils an die neu und nur dafür gegründete Braunschweig GmbH, welche nun gemeinsam die Unterharzer Berg- und Hüttenwerke GmbH bildeten.

Für damals 407 Angestellten des Rammelsberges änderte sich durch die Umfirmierung allerdings nichts. Das Bergwerk Rammelsberg bildete den Kern der Unterharzer Berg- und Hüttenwerke GmbH, die auch in der Folge immer zu 100% in jeweiligem Staatsbesitz von Preußen und Braunschweig blieb. Ein Umstand, den sich ab 1933 die Nationalsozialisten zu Nutzen machten. Da es sich de facto um einen Staatsbetrieb handelte, konnte der gesamte Betrieb unter dem Schlagwort „Rammelsbergprojekt“ und vor dem Hintergrund des Vierjahresplans zu einem nationalsozialistischen Musterbetrieb umgewandelt werden, ohne dass etwaige Aktionäre, Teilhaber oder Eigentümer Einspruch hätten erheben können. Sichtbarstes Zeugnis dieses Wandels während dieser Zeit sind die heutigen Tagesanlagen des Rammelsberges, die zwischen 1935-36 errichtet wurden.1936 kam mit der Zinkhütte Harlingerode ein weiterer Betriebsteil zu der Unterharzer Berg- und Hüttenwerke GmbH hinzu.

Unterharzer Berg und Hüttenwerke GmbH nach der Durchführung des Rammelsbergprojektes, in Das Erzbergwerk Rammelsberg, hrsg von der Preussag AG Metall Goslar, 1988

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, welches der Rammelsberg (und Goslar) nahezu unbeschadet überstanden, änderten sich die besonderen Besitzverhältnisse der 4/7 zu 3/7 Splittung am Rammelsberg nicht. Beide Teile blieben weiterhin in Staatsbesitz. Die PREUSSAG fiel nach der Auflösung des Staates Preußen an den Bund und der Teil der Braunschweig GmbH an das neu gegründete Land Niedersachsen, namentlich an die inzwischen in Niedersachsen GmbH umbenannte Braunschweig GmbH.
Der Unternehmenssitz der PREUSSAG wurde von Berlin nach Hannover verlegt und nur noch die Betriebsteile in den drei westlichen Besatzungszonen bildeten nun den Gesamtbetrieb, der allerdings nur knapp 30% des ehemaligen Gesamtbesitzes abbildete.
1959 wurde die PREUSSAG als erster Staatsbetrieb privatisiert in dem die PREUSSAG-Aktien (ähnlich wie zu Beginn der 1990er Jahre bei der Telekom) an mehr als 200.000 Kleinsparer verkauft wurden, die dadurch zu Anteilseignern wurden. Die PREUSSAG war somit der erste deutsche Staatskonzern der zu einer „Volks-Aktiengesellschaft“ gemacht wurde. Neben der politischen Komponente, sich von dem Staatsbesitz zu lösen, ging es der Regierung unter Adenauer auch darum, dringend benötigtes Kapital für den Konzern beschaffen.

Preussag Aktie in Das Erzbergwerk Rammelsberg, hrsg von der Preussag AG Metall Goslar, 1988

Da das Land Niedersachsen auch an einer Privatisierung des Staatsbesitzes interessiert war, verkaufte die Braunschweigische Staatsbank die 3/7 des Rammelsbergbesitzes im Jahr 1959 an die PREUSSAG, wodurch das Bergwerk Rammelsberg in seiner Gesamtheit erstmalig ein organischer Bestandteil des Konzerns wurde und die Unterharzer Berg- und Hüttenwerke GmbH ihre historische Legitimation verlor. Ein jetzt neu im Konzern geschaffener Unternehmensbereich „Metall“ mit Sitz und Verwaltung in Goslar bezog ebenfalls 1959 ein neues Verwaltungsgebäude – das sog. Rammelsberg-Haus – an Rammelsberger Straße Ecke Clausthaler Straße.

Am 30. Juni 1988 endete nach vermutlich 3.000 Jahren der aktive Bergbau am Rammelsberg und damit auch die Geschichte der PREUSSAG in Goslar. Doch auch der Konzern selbst verschwand wenige Jahre später. 1997 wurde die PREUSSAG durch den Verkauf der SALZGITTER AG und die Übernahme des Schifffahrt- und Logistikkonzerns HAPAG-LLOYD zu einem Dienstleistungsunternehmen der Freizeitindustrie. Mit dem Kauf der britischen THOMSON TRAVEL GROUP im Jahr 2000 wurde das Unternehmen zum weltweit größten Touristikkonzern. Seit dem 1. Juli 2002 firmiert es unter dem bekannten Namen „Touristik Union International“ oder kurz: TUI.

An die Stelle des aktiven Bergbaus durch die PREUSSAG trat im Oktober 1990 der „vermittelte“ Bergbau durch die museale und wissenschaftliche Erschließung und Öffnung des ehemaligen Werksgeländes für Besucher. Am 14. Dezember 1992 honorierte die UNESCO den außerordentlichen Wert des Rammelsberges und seiner Stadt mit dem Welterbetitel.

Altes Firmenschild am Eingang des Rammelsberges, Foto M. Wetzel

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