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Dingwelten: Die Neugestaltung der Ausstellung der oberen Etage im Museumshaus „Magazin“

Von Dr. Johannes Großewinkelmann

Vom EXPO-Projekt zur Dauerausstellung: Der Umbau des ehemaligen Zentralmagazin

Im Jahr 2000 war Hannover Standort der Weltausstellung EXPO 2000. Bereits 1995 fiel die Entscheidung, auch das Weltkulturerbe Rammelsberg in Goslar zu einem dezentralen Standort der EXPO-Ausstellung zu machen. Mit dieser Entscheidung flossen erhebliche Fördermittel in das Museum & Besucherbergwerk zum Auf- und Ausbau der musealen Infrastruktur. Dazu gehörte auch der Umbau des ehemaligen Zentralmagazins des Erzbergwerks zu einem Museumshaus mit kulturhistorischer Dauerausstellung.

Die Weltausstellung in Hannover hatte sich als zentrales Thema die Interaktionen von Menschen, Natur und Technik auf die Fahnen geschrieben und damit bot sich das Weltkulturerbe Rammelsberg als Außenstelle geradezu an. Ziel war es, aus verschiedenen Perspektiven das Zusammenspiel und die gegenseitige Bedingtheit von Menschen, Natur und Technik im Bergbau aufzuzeigen. Dazu gehörten die geologischen Voraussetzungen, die technischen Möglichkeiten des Abbaus, die sich im Laufe der Zeit deutlich veränderten, aber auch die Lebensumstände der Menschen und dies alles unter den jeweiligen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Systemen.

Für das Magazingebäude wurde ein Konzept erarbeitet, nach dem das Mittel- und das Untergeschoss komplett entkernt und neugestaltet wurden. Weitgehend original erhalten blieben der Lokschuppen im Untergeschoss und in der oberen Etage ein Teil der Magazinfläche mit Einbauten. Außerdem blieb Gebäudehülle im authentischen Zustand und wurde saniert. 

Die Ausstellung auf der oberen Etage des Museumshauses „Magazin“ vor dem Umbau

Auf der oberen Etage des Museumshauses Magazin befanden sich nach dem Umbau Anfang 2000 drei unterschiedliche Funktionsbereiche: a) ein original erhaltener Teil des früheren Zentralmagazins; b) freistehende Lagerflächen und c) eine Dauerausstellungsfläche, die aus Eingangs- und Sammlungsbereich mit bergmännischen Werkzeugen und Maschinen bestand.

Wandelemente aus Lochblechen trennten den Ausstellungsbereich vom original erhaltenen Lagerbereich und ermöglichen den Besucher:innen einen diffusen Durchblick in dieses authentische Magazin. Dadurch sollte die Assoziation zur ursprünglichen Nutzung dieses Gebäudes als Lager für den Bergbaubetrieb hergestellt werden. Zwischen musealer Nutzung der einen Raumhälfte und authentischer Nutzung der anderen Raumhälfte sollten die Lochbleche eine Art kommunikative Verbindung herstellen.

Abb. 1: Hinter dem Schmiededorn ist die Lochblechwand mit Durchsicht zum Magazinbereich zu sehen. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, 2015.

Im musealen Eingangs- und Sammlungsbereich der oberen Etage fand eine z.T. komplizierte Einführung in das Thema „Kulturgeschichte des Bergbaus“ statt. Hier sollte im Eingangsbereich mit einer Vielzahl an medialen Eindrücken eine Einstimmung auf die Themen der Dauerausstellung herbeigeführt werden. Der Sammlungsbereich, ausgestattet mit Handwerkzeugen und Maschinen aus dem Bergwerksbetrieb am Erzbergwerk Rammelsberg war als Einstimmung in die materielle Welt des Bergbaus gedacht.     

Dieser Eingangsbereich hat nie richtig funktioniert und war deshalb mehrmals Gegenstand von Umgestaltungen. Eine Besucherbefragung im Jahr 2019 ergab, dass eine Frage nach der ursprünglichen Funktion des Gebäudes nur beantworten konnte, wer die Bezeichnung „Magazin“ für das Museumshaus gelesen hatte. Die Lochblechwände und die ausgestellten Magazinregale, die eine Assoziation zur ursprünglichen Gebäudenutzung herstellen sollten, wirkten eher irritierend.

Abb. 2: Eingangsbereich zur Dauerausstellung in der oberen Etage vor Umbau (2010). Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, 2015.

Abb. 3: Eine Vielzahl an bergbaulichen Geräten aus der Sammlung soll die Besucher im Eingangsbereich auf die Kulturgeschichte des Bergbaus einstimmen. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, 2015.

Die Neugestaltung der oberen Etage 

Eine komplette Neukonzeption der Dauerausstellung im Museumshaus Magazin wurde 2019 begonnen. Die folgenden drei Krisenjahre 2020 bis 2022 haben die Finanzierungspläne zur Konzeptionierung und Umsetzung einer neuen Dauerausstellung deutlich verändert. Von der geplanten, kompletten Umstrukturierung wurde abgewichen, um eine modulare Erneuerung der Ausstellung zu planen, die in mehreren Abschnitten vorgenommen und finanziert werden kann. Ausgangspunkt der modularen Umstrukturierung ist der authentische Ort, in dem die Dauerausstellung integriert ist. Es ist das ehemalige Zentralmagazin des Erzbergwerks. Die Neugestaltung wird im Eingangsbereich der oberen Etage an diesem authentischen Ort anknüpfen.

In einem Willkommensbereich werden zunächst Menschen vorgestellt, die am Erzbergwerk Rammelsberg gearbeitet haben. Besucher:innen können sich hier über die Einzigartigkeit des Weltkulturerbes Rammelsberg informieren. Danach werden in vier Vitrinen Dinge aus der Rammelsberger Bergbaugeschichte mit hoher symbolischer Kraft ausgestellt. Markante Daten und Fakten zur Geschichte des Erzbergbaus und zum Wandel des Magazingebäudes  runden diesen Einstieg und Überblick ab.

Abb. 4: Vitrinen im Eingangsbereich des Museumshauses „Magazin“. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, Martin Wetzel, 2023.

Nach dieser Einführung bestimmen „Dingwelten“ die weitere Ausstellung, d.h. hier werden Museumsobjekte in unterschiedlichen Schaumagazinen präsentiert, um die Besucher:innen in die gegenständliche Welt des Bergbaumuseums zu entführen. Hier schließt der Ausstellungsansatz an die ursprüngliche Gebäudenutzung als Zentralmagazin an. 

Zunächst sind Besucher:innen in einem Bereich mit einer Vielzahl an bergmännischen Handwerkzeugen und Arbeitsmaschinen eingeladen, kognitiv und emphatisch Dinge zu „begreifen“. In einer kleinen „Schatzkammer“ entführen monetär, aber auch ideell wertvolle Museumsdinge die Besucher*innen in eine Welt, die abseits des schmutzigen Images vom Bergbau, Teil dieser Arbeitswelt war. In dem Bereich des authentisch erhaltenen Zentralmagazins des ehemaligen Erzbergwerks wird bei Führungen die ursprüngliche Materialwirtschaft des Bergwerks vorgestellt, als die Dinge noch nicht „just in time“ geliefert werden konnten.

Die Schaumagazine sind als Themeninseln konzipiert und nutzen kognitive, narrative und emotionale Zugänge zu Inhalten. Damit versuchen sie die Selbsterfahrung der Besucher*innen in den Vermittlungsprozess einzubeziehen. Die Besucher*innen werden zum Teil der Erzählung gemacht.

Abb. 5: Aufbau der „Dingwelten-Ausstellung“. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, Martin Wetzel, 2023.

Neben den Schaudepots ist auf der oberen Ebene des Museumshauses „Magazin“ ein  Workshopbereich eingerichtet, in denen ein offener Umgang mit der musealen Dingwelt unter spezifischen Themen angestrebt wird. Hier können museumspädagogische, restauratorische oder sammlungsspezifische Projekte durchgeführt werden.

Abb. 6: Einrichtung der „Schatzkammer“. Foto: Weltkulturerbe Rammelsberg, Martin Wetzel, 2023.

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