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Die Erzbahn – Eine alte Bahnverbindung zwischen dem Erzbergwerk Rammelsberg und den Hütten in Oker

Von Dr. Johannes Großewinkelmann und Dipl. Ing. Stefan Dützer

Vom Fuhrwerk auf die Schiene

Als 1866 die Hannoversche Staatsbahn die erste Eisenbahnverbindung nach Goslar eröffnete, setzte allmählich eine Veränderung der Transportmittel für den Erztransport ein. Überlegungen, das Erzbergwerk Rammelsberg direkt an die Staatsbahn anzubinden, gab es schon vor dem Anschluss Goslars an das Schienennetz.   Karren, Pferd und Wagen beherrschten aber noch bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs den Transport außerhalb des Bergwerks. Das Erz musste von unter nach über Tage und weiter vom Erzbergwerk Rammelsberg zu den Hüttenstandorten transportiert werden. Verhüttungszentren hatten sich in Oker und im Raum Langelsheim gebildet. Die Transportmengen waren für die Verhältnisse zu Beginn des 20. Jahrhunderts immens, das damit verbundene Gewerbe umfangreich. Fuhrleute aus den Goslarer Nachbardörfern mit rund 500 Fuhrwerken sicherten den Erztransport zu den Hütten. Fuhrleute und ihre Zugtiere benötigten Behausung und Nahrung und waren durch ihre Arbeit zugleich ein Wirtschaftsfaktor für Goslar und das Umland.

Fuhrwerke holen Erz unterhalb der Sturzbrücken des Erzbergwerks Rammelsberg für den Transport zu den Hütten ab, um 1900. Foto: Sammlung Weltkulturerbe Rammelsberg.

Doch im Ersten Weltkrieg wurden fast alle Pferde und Fuhrwerke vom Militär eingezogen. Bis zum Frühjahr 1916 war die Anzahl auf rund einhundert Gespanne gesunken, weil Pferde zu dieser Zeit das wichtigste Transportmittel des Militärs an der Front waren. Die Pferde fielen wie die Menschen tausendfach dem mörderischen Treiben zum Opfer. 

Das Bergwerk benötigte daher ein anderes Transportmittel. Im Winter 1916/17 ließ die Berginspektion eine 6,5 Kilometer lange Schmalspurbahn vom Erzbergwerk Rammelsberg über den Blauen Haufen zur Hütte nach Oker bauen. Zum Bau der Bahn wurden aufgrund von Arbeitskräftemangel Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit eingesetzt. Diese Bahnverbindung wurde später als Erzbahn bezeichnet. Heute sind neben dem Wanderweg am Blauen Haufen noch einige hölzerne Bahnschwellen der ehemaligen Erzbahn zu entdecken. In der Sonderausstellung „Mit Erfolg auf Erz gebaut“, die noch bis zum 20. November 2022 am Weltkulturerbe Rammelsberg gezeigt wird, wird die Geschichte der Erzbahn erzählt.

Bau der Erzbahn über den Blauen Haufen im Ersten Weltkrieg. Foto: Sammlung Stefan Dützer.

Grubenwagen neben einem Wanderweg über dem Blauen Haufen als Hinweis auf die ehemalige Bahnstrecke der Erzbahn und die Sonderausstellung am Weltkulturerbe Rammelsberg. Foto: Johannes Großewinkelmann, 2022.

Der Gelenbeeker Stollen

Der Erste Weltkrieg hatte Menschen und Material extrem belastet. Die Erzbahn nach Oker war im Krieg überhastet und mit Mängeln behaftet gebaut worden. Die Steigungen hoch zur Bleiche und runter nach Oker waren zu steil. Beim Anstieg auf der Strecke über den Blauen Haufen kamen die Loks der Erzbahn an ihre Leistungsgrenze.

Verunglückter Zug auf der Erzbahn, 1937. Sammlung Rammelsberg

Zudem waren die starken Gefälleunterschiede im gesamten Streckenprofil bis Oker ein gewaltiges Problem für den Betrieb der Erzbahn. Die Züge verfügten nicht über eine durchgehende Bremsanlage. Gemäß dem damals üblichen Standard waren auf dem Zug Bahnarbeiter verteilt, die auf Signal des Lokführers die Wagenbremsen anzogen oder lösten. Kein schöner Job bei schlechtem Wetter und gefährlich obendrein, wovon zahlreiche Unfallberichte zeugen. Ein solcher Unfall wurde durch das Foto dokumentiert. Vermutlich aufgrund von Wagenknappheit bei zunehmender Produktion hatte man den Erzzug mit Förderwagen aus dem Bergwerksbetrieb verstärkt. Diese Wagen waren allerdings noch nicht mit einer Bremse ausgestattet. Beim Verlangsamen der Fahrt schob der auflaufende hintere Zugteil die vorderen leichten Leerwagen aus dem Gleis.

1927 wurde der steile Teilabschnitt bis zum Bollrich nach unter Tage in den seit 1919 aufgefahrenen Gelenbeeker Stollen verlegt. Ab dem Bollrich verlief die Trasse dann weiter übertägig bis Oker. Die Bahnlinie durch den Gelenbeeker Stollen blieb bis 1987 in Betrieb.

Parallel zur Elektrifizierung des Erztransports unter Tage im Bergwerk wurde 1929 der Antrag auf Elektrifizierung des Gelenbeeker Stollens gestellt. Er wurde mit einem Fahrdraht ausgestattet und über das Stromnetz des Erzbergwerks versorgt. Zwei Fahrdrahtloks für den Bergwerksbetrieb wurden wechselseitig auch im Gelenbeeker Stollen eingesetzt. Am Bollrich wurde der Erzzug umgekuppelt und mit einer Dampflok konnte der Transport zu den Hütten in Oker fortgesetzt werden.

Das „Rammelsberg-Projekt“

Die völlige Umstellung des Deutschen Reichs auf eine von Autarkie und Aufrüstung geprägte Ökonomie unter nationalsozialistischer Herrschaft forderte nach 1933 eine massive Erweiterung des Bergbau- und Hüttenbetriebes: Das so genannte „Rammelsberg-Projekt“ wurde propagiert. Unter großem Zeitdruck wurde nun parallel zur laufenden Produktion eine Aufbereitungsanlage errichtet sowie das Bergwerk von Grund auf umgebaut und erweitert. Damit einher ging eine massive Steigerung der Transportmengen und ebenso die vollständige Umlegung der Trasse zwischen Bollrich und Oker, um Platz für die nun anfallenden Konzentratberge zu schaffen. Auf dem Bergwerksgelände entstand ein neuer Verladebahnhof. Lokschuppen und Wagenabstellgleise wurden architektonisch geschickt in das Magazingebäude integriert. Die Verladung der Aufbereitungskonzentrate erfolgte von außen unsichtbar auf einem untertägigen Verladebahnhof mit mehrgleisiger Kehrschleife unter der neuen Aufbereitungsanlage.

Die Fahrdrahtlok „Rammelsberg 1“ vor dem Stollenmundloch des U-Bahnhofs der Aufbereitungsanlage auf dem Verladebahnhof am Erzbergwerk Rammelsberg. Foto: Archiv der TUI Hannover, 1950er Jahre.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur Stilllegung des Erzbergwerks Rammelsberg

Die Erzbahntrasse überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet. Der Rohstoffbedarf für den Wiederaufbau war groß, der Betrieb musste liefern, Arbeitskraft wurde gebraucht. Der Krieg in Korea sorgte für steigende Rohstoffpreise, die Gewinnung ärmerer Erzvorkommen erschien rentabel. Dafür entstand ab 1951 am nördlichen Stollenmundloch des Gelenbeeker Stollens die zweite Erzaufbereitung, kurz als „Bollrich“ bezeichnet. Die damit verbundene Steigerung der Transportmengen brachte nun das endgültige Aus für die alte dampfbetriebene Schmalspurbahn.

Letzte Fahrt auf der Schmalspurstrecke vom Bollrich zu den Hütten nach Oker, 1953.
Foto: Sammlung Stefan Dützer

Zwischen Bollrich und Oker bauten die Unterharzer Berg- und Hüttenwerke jetzt eine normalspurige Anschlussbahn, die anfangs mit Dampf-, ab 1968 mit Dieselloks betrieben wurde. Im untertägigen Streckenteil im Gelenbeeker Stollen sorgten neu beschaffte Fahrzeuge für höhere Kapazität. Das alte Problem der immensen Steigung auf der östlichen Bahntrasse führte 1986 zur Einstellung des normalspurigen Betriebs. Während der Transport vom Bergwerk durch den Gelenbeeker Stollen weiterhin auf Schienen lief, übernahmen ab dem Bollrich Lastkraftwagen die Erzkonzentrate. Mit der Einstellung der Förderung am Rammelsberg wurde die Erzbahn gänzlich stillgelegt. Die Übernahme in ein Museumskonzept scheiterte an den hohen Kosten.

Diesellok mit Konzentratwagen auf der normalspurigen Bahntrasse der Ezbahn. Foto: Sammlung Frank Bormann.

 

 

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