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Vortrag und Führung am Tag des offenen Denkmals: Die Tagesanlagen des Rammelsbergs – Eine Baugeschichte in 3 D

Von Dr. Johannes Großewinkelmann

In einem Projekt des Niedersächsischen Landesamts für Denkmalpflege, der TU Braunschweig, der Universität Würzburg, des Landesamtes für Geoinformationen und Landesvermessung des Landes Niedersachsen, des Unternehmens denkmal3D in Kooperation mit dem Weltkulturerbe Rammelsberg zur Erfassung der Tagesanlagen des Weltkulturerbes Rammelsberg werden zurzeit die Gebäude der Erzaufbereitungsanlage des ehemaligen Erzbergwerks intensiv vermessen und in einem virtuellen 3-D-Modell erfasst. Gefördert wird das Projekt durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur.

Am Tag des offenen Denkmals am 11. September 2022 präsentierten Dr. Andreas Bauerochse vom Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege und Dr. Johannes Großewinkelmann vom Weltkulturerbe Rammelsberg, diese neuartigen Methoden zur Erfassung, Darstellung und Suche nach historischen und baugeschichtlichen Spuren.

Dr. Johannes Großewinkelmann ging in seinem einleitenden Vortrag zunächst auf bedeutende architektonische und baugeschichtliche Aspekte der Tagesanlagen des ehemaligen Erzbergwerks Rammelsberg ein. Dabei stand der Neubau der Tagesanlagen des Bergwerks in den Jahren zwischen 1935 und 1939 im Zentrum seiner Ausführungen. Gefördert durch das von der nationalsozialistischen Regierung aufgesetzt „Rammelsberg-Projekt“, eines Investitionsprogramms mit einem Volumen von 30 Millionen Reichsmark zur Modernisierung des Bergwerks und der Hüttenstandorte in Oker, erhielten die Bergwerksanlage am Rammelsberg ein völlig neues Gesicht.

Die alten Tagesanlagen des Erzbergwerks Rammelsberg, 1935. Im Hintergrund sind am Hang des Rammelsbergs bereits die Vorbereitungsarbeiten für den Bau der neuen Erzaufbereitung zu erkennen. Foto: Sammlung Weltkulturerbe Rammelsberg.

Die im Bau befindlichen Tagesanlagen des Erzbergwerks Rammelsberg, 1938. Vor den neu gebauten Gebäuden der Erzaufbereitung am Hang des Rammelsberg sind noch die alten Gebäude der Tagesanlagen zu sehen, die erst ab 1940 abgerissen wurden. Foto: Sammlung Weltkulturerbe Rammelsberg.

Insbesondere die Gebäude der von den Industriebaumeistern Fritz Schupp und Martin Kremmer an den Hang des Rammelsbergs gebauten neuen Aufbereitungsanlage dominieren bis heute den Blick von der Straßenseite auf das Bergwerk.

Blick vom „Ehrenhof“ auf die im Zentrum der Tagesanlagen befindlichen Gebäude der Erzaufbereitung. Foto: Stefan Sobotta, 2016.

Historische Fotos von der Baustelle am Erzbergwerk Rammelsberg aus den Jahren von 1935 bis 1939 geben wichtige Details zur Baugeschichte der Anlage und zeigen z.B., dass sich hinter der Fassadeverkleidung aus Holz oder Bruchsteinmauerwerk eine Stahlfachwerk- oder Stahlbetonkonstruktion verbirgt.

Errichtung der Gebäude der Erzaufbereitung in Stahlfachwerkbauweise, 1936. Foto: Sammlung Weltkulturerbe Rammelsberg.

Großewinkelmann verdeutlichte, dass die Auswertung einer Vielzahl von Archivalien, Plänen und Fotos zur baugeschichtlichen Entwicklung der Tagesanlagen des Erzbergwerks Rammelsberg im Rahmen des Projektes erfolgen soll. Denn nur durch eine intensive Spuren- und Informationssuche können die Architektur und Baugeschichte der Gebäude in die für den Denkmalschutz wichtigen technischen und politischen Hintergründe eingeordnet werden.

In diesem Zusammenhang sei es aber besonders wichtig, eine Bestandsaufnahme des aktuellen Zustands der Gebäude, sowohl von außen, als auch von innen zu machen und die am Gebäude ablesbaren Spuren genau zu erfassen und mit den historischen Informationen zur Baugeschichte abzugleichen.

Dr. Andreas Bauerochse erläuterte die Methoden zur digitalen Erfassung der Gebäude der Bergwerksanlage. Zunächst fand eine Befliegung des Bergwerksgeländes mittels Drohnen statt, die Laserscanner, Fotokamera und Multispektralkamera an Bord hatten.

Abbildung einer Drohne zur Erfassung von Gebäuden mit Benennung der einzelnen Aufnahmegeräte.
Foto und Grafik: Dr. Andreas Bauerochse, NLD.

Diese Drohnen flogen nach einem vorher erarbeiteten Flugplan automatisch das Gelände auf programmierten Flugbahnen ab und fotografierten und scannten dabei sowohl das Gelände, als auch alle Gebäudeteile von außen.

Außenbereiche, wie etwa enge Zwischenräume an Gebäudekanten oder Dachüberständen, konnten von den Drohnen nicht erfasst werden und mussten vom Boden aus mit Laserscanner mit Fotokamera nacherfasst werden.

Im Innenbereich wurden die Räume von Laserscannen vermessen und gleichzeitig fotografische Abbildungen erzeugt. Die Standorte der Scanner waren in einem Koordinatensystem integriert.

3D-Laserscan mit Scannerstandorten. Grafik: Yahya Ghassoun, TU-Braunschweig

Aus diesen Aufnahmedaten der Drohnenbefliegung und den Innenaufnahmen der Scanner werden zur Zeit  computergestützte dreidimensionale Gebäudemodelle der Tagesanlagen erstellt.

3-D-Modellierung der Gebäude der Erzaufbereitungsanlage. Grafik: Yahya Ghassoun, TU-Braunschweig

In einer Datenbank sollen die Scan- und Fotodaten aus den Innenräumen, die Daten der Außenaufnahmen und die bautechnischen und historischen Informationen aus Archivalien, Plänen, Akten und Fotos aufgenommen werden. Diese Datenerfassung, als Building Information Modelling bezeichnet, erfasst, kombiniert und modelliert digital alle relevanten Bauwerksdaten. Das Bauwerk ist als virtuelles Modell auch geometrisch visualisiert (Computermodell).

Die Gebäudeerfassung läuft dabei auf verschiedenen Ebenen ab: Vom gesamten Baukomplex ausgehend wird die Erfassung über einzelne Baueinheiten, Funktionsbereiche, Räume und Bauelemente immer weiter verfeinert.

Benennung einzelner Räume im Funktionsbereich Wagenumlauf der Erzaufbereitungsanlage.
Grafik: Yahya Ghassoun, TU-Braunschweig; Dr. Andreas Bauerochse, NLD.

Eine solche Datenbank mit Computersimulation kann flexibel eingesetzt werden: Sie kann für ein Computermodell genutzt werden, dass in Ausstellungen die Gebäudegeschichte der Bergwerksanlage für Besucher*innen nachvollziehbar demonstriert.

In einem Katastrophenfall (Brand) gibt die Computersimulation den Einsatzkräften die Möglichkeit, sich an einem unbekannten Ort schnell und sicher über das Gelände und durch die Gebäude zu navigieren.

Die Datenbank kann für Maßnahmen im Zuge der Denkmalpflege, zur Restaurierung, Sanierung oder Reparatur von Gebäuden als zentrale Informationsquelle genutzt werden, um bautechnische und baugeschichtliche Hinweise abzurufen.

Damit wäre eine zentrale Informationsdatenbank zum übertägigen Gebäudekomplex des Erzbergwerks Rammelsberg aufgebaut, die in wichtigen Bereichen der Erhaltung und Vermittlung des Weltkulturerbes Rammelsberg zu erheblichen finanziellen Einsparungen und beschleunigter Informationsbeschaffung statt aufwendiger Aktenrecherche führen würde. Insbesondere im Katastrophenfall kann der schnelle Zugriffe auf die wichtigsten Daten entscheidendes zur Rettung der Gebäude liefern, wie einige spektakuläre Großbrände in historischen Gebäuden in den letzten Monaten gezeigt haben.   

 

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