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Ratsherren oder Bergherren? – Die Rammelsberger Grubenbesitzer im Mittelalter

Ein Gastbeitrag von Dr. Astrid Schmidt-Händel

Das Goslarer Jubiläumsjahr zum 1100. Geburtstag bietet eine willkommene Gelegenheit, sich einmal mehr mit den Anfängen der engen Beziehungen zwischen Stadt und Berg auseinanderzusetzen und nachzuvollziehen, wie es überhaupt zu diesen Verflechtungen gekommen ist. Auch wenn man meinen könnte, dass die Goslarer Geschichte schon zur Genüge aufgearbeitet und dokumentiert ist, bringt das Stöbern in den Quellen doch immer wieder die eine oder andere interessante Neuigkeit zu Tage.

Wie die Funde der Altbergbau 3D-Forschung letztes Jahr zeigten, wurde zur Zeit der Stadtwerdung bereits untertägig und nicht nur im Tagebau nach Erzen gesucht. Im Laufe der Jahrhunderte hat dieses Wirken nicht nur archäologisch im Berg, sondern auch verwaltungstechnisch in den Quellen immer größere Spuren hinterlassen. Die aus dem Jahr 1271 überlieferte Bergordnung Herzog Albrechts enthielt zwar schon konkrete Regelungen für verschiedene Zuständigkeiten, Abläufe sowie die Rechtsprechung oder den Eigentumsnachweis, diese waren jedoch noch allgemein gehalten, so dass man keinen Hinweis auf die Namen der Eigentümer oder der vorhandenen Gruben erhält.[1]

[Stadtarchiv Goslar, B 824]

Die Bezeichnungen zahlreicher Einzelgruben des 14. und 15. Jahrhunderts können den aus dieser Zeit überlieferten Grubenverzeichnissen entnommen werden. Grubenvermessungen hielten zumindest den Namen der Grube, ihre Größe und die zu leistenden Abgaben fest. Urkunden dokumentierten daneben den Besitzwechsel bei Verkauf, Verpfändung oder Tod und führten neben den Grubennamen die beteiligen Personen und die Menge der Anteile an der Grube auf. Üblich war die Teilung der Grube in immer kleinere Teile, so dass auch immer verzeichnet werden musste, ob es sich beispielsweise um ein Viertel oder ein Sechzehntel handelte, was wiederum die Zahl der Eigentümer einer Grube vervielfältigte.

Betrachtet man die Grubennamen näher, so wird deutlich, dass es sich, wie in dieser Zeit üblich, häufig um Benennungen nach Personen, also wohl den Eigentümern handelt. Beim Abgleich mit den Ratsgeschlechtern Goslars fällt auf, dass hier durchaus auch schon Ratsherren oder deren Familienmitglieder engagiert gewesen sein könnten. Zu dieser Annahme berechtigen beispielsweise die Gruben „to dem Othbrechte“ (Ratsgeschlecht Ohtbrecht), to dem Eckeschen (Fam. Ecken), to dem Wetzelschen (Fam. Wetzel) oder „to der Scapergrove“ (Fam. Scap/Schap).[2]

Die Sechsmannen, die als Vorstand die Gruppe der Montanen und Silvanen – also der Berg- und Hüttenleute – vertraten, fungieren im 14. Jahrhundert gemeinsam als Käufer von Gruben. Dies taten sie allerdings im Auftrag des Rates, der seinen Einfluss auf den Bergbau ausweiten und möglichst viele Gruben in seinen Besitz bekommen wollte. 1349 erhielten die Sechsmannen beispielsweise alle Bergteile der Gebrüder von der Gowische zwischen dem „Schyrenstede“ und dem „Neuen Schachte“, wobei die in der Urkunde genannten Sechsmannen Hannes van Brokelde, Thile Unrowe, Henning Bulk, Hans Quest, Hans Schap in dieser Zeit gleichzeitig Ratsherren waren.[3] Besonders Thile Unrowe wird häufig als Belehnter oder Käufer genannt.[4]

Die Goslarer Ratsherren waren jedoch nicht nur in ihrer Gesamtheit Eigentümer von Gruben und Anteilen am Rammelsberg, sondern ließen sich das lukrative Geschäft auch als Privatpersonen nicht entgehen. In einer Beschwerde des Rates der Stadt Lüneburg – die ebenfalls Anteile am Rammelsberg besaß – an den Rat von Goslar wurden etliche Klagepunkte, aber auch Beschuldigte aufgeführt, die dem Bergbau Lüneburgs vermeintlichen Schaden zufügten. In dieser Liste finden sich zahlreiche Ratsherren. Zu diesen zählten auch Hinrich Mechteshusen, Hinrich Gehrter und Hening Reyndes, welche 1474 sogar vom Rat der Stadt Goslar selbst der Vorteilnahme bei der Erzzumessung beschuldigt wurden.[5]  

Sehr im Bergbau engagierte sich der Goslarer Bürgermeister Johann Papen, der 1486 Mitglied der zweiten Gesellschaft Johann Thurzos wurde, 1487 alle Lüneburger Teile am Rammelsberg vier Jahre überantwortet bekam sowie 1488 mit allen Anteilen der Grube Redding von Lüneburg belehnt wurde.[6] 1506 trat er schließlich noch als Gewerke einer weiteren Gesellschaft in Erscheinung, welche die Rechte an einem Bergwerk im Herzberg verliehen bekam.[7] Es ist daher nachzuvollziehen, wenn Johann Pedigk, der Mitglied der ersten Thurzo-Gesellschaft (1478-1486) war und mit einer Vielzahl von Briefen versuchte, seinen ihm vermeintlich unrechtmäßig aberkannten Besitz und seine Rechte am Berg wieder zu erlangen, den Rat bat, Johann Papen in der Angelegenheit auszuschließen. Dieser verfolgte im Rammelsberger Bergbau offensichtlich eigene Interessen, so dass Pedigk ihm im Nachsatz eines Briefes Parteilichkeit unterstellte: „Ek hebbe ock des lyken an denn erßamen radt gescrivenn gi mogen Johann Papen wol von dem handil latenn, er ist parteiesch“.[8]

[Stadtarchiv Goslar, B 8691, Bergbau III,1]

[1] Urkundenbuch der Stadt Goslar und der in und bei Goslar belegenen geistlichen Stiftungen. Hg. v. d. Historischen Kommission für die Provinz Sachsen. Bearb. v. Georg Bode. 5 Bde. Halle/Berlin 1893-1922. Bd. 2, Nr. 169.

[2] UB Goslar, Bd. 2-4, Register, „Ratsgeschlechter“, „Räte der Stadt“

[3] UB Goslar, Bd. 4, Nr. 345.

[4] 1333 / 1338: Belehnung von Thile Unruh mit zahlreichen Bergwerksanteilen (UB Goslar, Bd. 3, Nr. 941 / UB Goslar, Bd. 4, Nr. 70), 1342: Verkauf von Bergwerksanteilen durch die Brüder von Salder an Hans und Thile Unruh (UB Goslar, Bd. 4, Nr. 196).

[5] Engemann, Herbert. Die Goslarer Gilden im 15. und 16. Jahrhundert. Goslar 1957 (Beiträge zur Geschichte der Stadt Goslar, Heft 16). S. 109 f. / Stadtarchiv Goslar, Urkunden der Stadt Goslar, Nr. 849.

[6] Stadtarchiv Lüneburg, UA b_5785, UA a_5786, UA b_5889.

[7] Landesarchiv Hannover, NLA HA Cal. Or. 7 Nr. 8.

[8] Stadtarchiv Goslar, B 8691, Bergbau III,1.

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