-Das 14tägige Internationale Workcamp am Rammelsberg-
Die Mexikanerin Andrea ist zum ersten Mal in Europa. Sie hatte sich frühzeitig bei der Organisation der Internationalen Jugendgemeinschaftsdienste (ijgd) für ein äußerst ungewöhnlich klingendes Grabungsprojekt angemeldet, das in Deutschland stattfinden sollte. – Das ijgd organisiert seit 1949 Freiwilligendienste und ist eine der größten und ältesten Workcamp-Organisationen in Deutschland. –
Archäologische Grabungen findet die Medizintechnikerin Andrea schon immer spannend, doch in Mexiko dürfen Laien grundsätzlich nicht an Ausgrabungen teilnehmen. Aber in Europa ist das unter Anleitung erlaubt und beim ijgd gab es sogar mehrere dieser Workcamps im Angebot. Aber keines war so wie das am Rammelsberg. Denn hier wollte man jüngere Geschichtsforschung betreiben und es ging um das Rammelsberger Barackenlager, in dem zur Zeit des Nationalsozialismus männliche Zwangsarbeiter untergebracht waren.
Dort sollten unter fachkundiger Anleitung der Leiterin der Arbeitsstelle der Montanarchäologie des Landesamtes für Denkmalpflege in Niedersachsen, Dr. Katharina Malek-Custodis und dem wissenschaftlichen Mitarbeiter und Archäologen Georg Drechsler, Objekte geborgen und Grundmauern und Fußböden freigelegt werden. Das notwendige Hintergrundwissen würden die Historiker Dr. Johannes Großewinkelmann (Rammelsberg) und Bernd Wehrenpfennig (Projektmitarbeiter und finanziert von der Friede-Springer-Stiftung) beisteuern.
So reiste Andrea aus Mexiko nach Goslar, wo sie auf 9 weitere Freiwillige aus den Ländern Frankreich, Tschechien, Italien und Spanien traf und auf die beiden Betreuer des ijgd: Anna-Lena-Werner (Deutschland) und Liliia Stepchenko (Ukraine).
Bei der täglichen Arbeit auf der Grabung lernte sie schnell die anderen Teilnehmer kennen und des Abends in der gemeinsamen Ferienwohnung beim miteinander Kochen oder bei Freizeit-Unternehmungen war es leicht den Kontakt zu vertiefen. So erfuhr sie, dass die meisten Workcamp-Teilnehmer noch studieren und die Grabung nutzen, um Praxisanteile für ihr Studium zu erwerben und Sprachkenntnisse zu vertiefen, wie zum Beispiel der zukünftige Historiker Youri aus Frankreich.
Youri hatte sich, wie er berichtete, bereits im Studium intensiv mit der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt und wollte dieses Wissen bei der Grabung vertiefen.
Andrea und Youri haben sich angefreundet und so konnte der Franzose die englische Sprache üben. Auch auf der Grabung wurde miteinander englisch gesprochen. Doch zum Lesen der Rammelsberg Akten, wofür in den 14 Tagen des Workcamps sehr wenig Zeit blieb, benötigt man Deutschkenntnisse. Und wie einige der anderen Teilnehmer spricht auch Andrea ein wenig Deutsch und hat eine sehr gute Aussprache, wenn auch der Wortschatz noch erweitert werden kann. Aber „das kommt mit der Zeit“, wie Youri erzählte, denn am Ende des Workcamps klappte es mit seiner Englisch-Kommunikation schon viel besser.
Nach 14 Tagen Grabungstätigkeit fühlen sich alle Projektteilnehmer körperlich topfit, ganz anders als zu Beginn des Workshops: „Die täglichen 5 Stunden Ausgrabung in dieser Hitze waren sehr anstrengend und machten immer sehr müde, besonders wenn man das körperliche Arbeiten nicht so gewöhnt ist“, wie Youri berichtete. Doch Andrea beeilte sich zu erwähnen, dass sie alle trotz der körperlich harten Arbeit viel Spaß gehabt hätten. Es sei oft sehr lustig gewesen und auch die verschiedenen Persönlichkeiten auf der Grabung hätten die Teilnehmer als Bereicherung empfunden.
Allein die Aussagen von Andrea und Youri bestätigen die Ziele der Jugendgemeinschaftsdienste, die sich hier auch mit einigen Vermittlungszielen der Welterbestätte decken: Die Teilnehmer sollen Menschen aus der ganzen Welt kennenlernen (Friedensarbeit), „Dinge“ bewegen, also aktiv mithelfen ein gesellschaftlich sinnvolles Projekt voranzubringen (Aktive Beteiligung an der Erforschung der Welterbestätte) und nicht zuletzt ihre Sprachkenntnisse verbessern (Persönlichkeitsförderung).
Ein wesentliches Interesse der Montanarchäologie war natürlich das Voranschreiten der Grabung und der daraus zu gewinnende Erkenntnisprozess. Frau Dr. Katharina Malek-Custodis und Herr Georg Drechsler zeigten sich gleichermaßen beeindruckt von dem Grabungsfortschritt, der durch die jungen Menschen erzielt werden konnte. Drechsler imponierte die hohe Motivation der Teilnehmer und deren strukturiertes und konzentriertes Arbeiten.
Die Forschungsergebnisse der Grabung müssen noch in Ruhe ausgewertet werden und dann werden sie auch auf diesem Blog vorgestellt. Denn durch das zweijährige Projekt, finanziert von der Friede–Springer-Stiftung unter dem Titel „Räume der Unterdrückung. Neue geschichtswissenschaftliche und archäologische Forschungen zu den Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern am Erzbergwerk Rammelsberg im Harz“ sollen neue Erkenntnisse über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Zwangsarbeiter gewonnen werden. Und das Internationale Workcamp hat diesen Erkenntnisprozess befördert!
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