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Stadtgeschichten – Der tiefe Julius-Fortunatus-Stollen

In diesem Jahr begeht die Stadt Goslar ihr 1.100jähriges Jubiläum.
1.100 Jahre Stadtgeschichte sind auch 1.100 Jahre Bergbaugeschichte, denn die Entwicklung des Bergbaus am und im Rammelsberg ist untrennbar mit der Geschichte der Stadt verbunden. Im Laufe dieses Jahres werden wir hier im Blog mit verschiedenen Beiträgen das Stadtjubiläum aufgreifen, in dem Orte und Begebenheiten vorgestellt werden, die die Stadt- und Rammelsberggeschichte untrennbar miteinander verbinden.
Den Auftakt bildet der tiefe Julius-Fortunatus-Stollen, der nach über 99 Jahren der Aufwältigung am 25. September 1585 fertiggestellt wurde.

Erinnerungstafel am Mundloch. Foto ©Rammelsberg

In der Mitte des 15. Jahrhunderts erreichte der Bergbau am Rammelsberg immer größere Tiefen. Damit einher ging das Problem der sog. „Sümpfung“ der Grubenbaue, d.h. die stete Abführung des anfallenden Grubenwassers. Der Rathstiefste Stollen, als bisheriger Wasserlösungsstollen, lag inzwischen zu hoch um dieser Aufgabe in Gänze nach zu kommen. Daher beschloss 1484 der Rat der Stadt Goslar, der zu diesem Zeitpunkt noch Eigener an den Rammelsberger Gruben war, einen neuen Wasserlösungstollen ca. 45 m tiefer als der Rathtiefste Stollen anlegen zu lassen.

Baubeginn war am 11. Mai 1486. Begonnen wurde im Bereich außerhalb der westlichen Wallanlagen, zwischen dem unterem Wasserloch und dem Breiten Tor. Anfänglich wurden zur Auffahrung des Stollens Bergleute aus der Markgrafschaft Meißen beschäftigt, weshalb der Stollen zu dieser Zeit auch als „Meissner Stollen“ bezeichnet wurde. Aufgefahren wurde der Stollen jedoch nicht nur von einer Seite, sondern von mehreren Schächten  aus, den sog. Lichtlöchern, von denen ausgehend in beide Richtungen gearbeitet wurde. Die Lichtlöcher dienten hauptsächlich der Bewetterung der Strecke. Insgesamt gab es neun Lichtlöcher in unterschiedlichen Entfernungen zueinander. Teilweise mit Flurbezeichnungen, die noch heute in Goslar bekannt sind, wie „Nasser Herbst“ oder „Finkenflucht“ am sog. Bauen Haufen. Der Blaue Haufen selbst ist die ehemalige Abraumhalde des Lichtloches „Finkenflucht“. Der Schacht des Lichtloches „Finkenflucht“ hatte eine Tiefe von über 80 m.

Während des Vortriebs kam es aufgrund technischer Schwierigkeiten und politsicher Ereignisse zu vielfachen Unterbrechungen. Es dauerte insgesamt 99 Jahre bis der neue Stollen seinen Betrieb aufnehmen konnte. Unter anderem hatte der Rat der Stadt Goslar während der Bauphase 1552 durch die Vereinbarungen des Reichenberger Vertrages die Oberhoheit am Rammelsberg an die Braunschweiger Herzöge verloren, was zu einer entscheidenden Verzögerung führte. Die letzte große Arbeitsphase fand unter der Regentschaft des Braunschweiger Herzogs Julius statt, weshalb der Stollen bis heute den Namen „Tiefer-Julius-Fortunatus-Stollen“ trägt.

Straßenschild der Straße „Am Stollen“ in Goslar. Foto ©Rammelsberg

Der Stollen verläuft auf seiner Länge von  ca. 2.580 m ziemlich gerade. Vom Rammelsberg aus in nördlicher Richtung bis zu der heutigen Landmarke „Blauer Haufen“ unterquert er die sog. Bergweisen. Ab dem Gelände des EFZN befindet sich der Verlauf knapp 30 m unter bebautem Gebiet. Er streift das ehemalige Kasernengelände am südöstlichen Ende, kreuzt die Wallstraße, die Straße Am Stollen [sic!] auf Höhe Kreuzung Bozener Straße, die Ludwig-Jahn-Straße in Richtung Rewe-Markt, dessen Gelände und Parkplatz auf der nordwestlichen Seite unterquert wird. Knapp 12 m unter der Kreuzung Reiseckenweg/Bleicheweg nähert er sich den Wallanlagen an, um ungefähr auf Höhe der Tankstelle in Mitten der Wallanlagen nach über Tage zu treten. Genau an der Stelle, wo vor über 500 Jahren die Arbeiten an dem Stollen begannen. Das eher unscheinbare Mundloch ist heute verschlossen und durch Informationstafeln erläutert.

Das heutige Mundloch des Tiefen-Julius-Fortunatus-Stollens in den südöstlichen Wallanlagen. Foto ©Rammelsberg

Nach dem Ende des Bergbaus am Rammelsberg verlor der Julius-Fortunatus-Stollen seine eigentliche Funktion als Wasserlösungsstollen, da das Bergwerk nach dem Betreibsende kontrolliert „absoff“. 1997 wurde der Stollen verschlossen, sodass durch ihn kein Grubenwasser mehr aus dem Rammelsberg abfließen konnte.

Eine Nutzung des Stollens durch das 1990 gegründete Museum am Rammelsberg war und ist nicht vorgesehen, dennoch ist der Stollen nicht funktionslos! Denn es fließt immer noch Wasser durch diesen untertägigen Bereich. Allerdings kein Grubenwasser, sondern übertägiges Sickerwasser, welches sich stetig in der über 2 km langen Strecke, ähnlich einem Drainagerohr sammelt und in Richtung Stadt abfließt. Dieses Wasser wird seit 2004 durch das Goslarer Schwimmbad „Aquantic“ zur Eigenwassergewinnung genutzt. Kurz hinter dem Mundloch wird auf knapp 600 m das anfallende Wasser aufgestaut und durch eine stationäre Anlage abgepumpt. Danach durchläuft es eine Trinkwasseraufbereitungsanlage und steht dem Schwimmbad zur Verfügung.

Auch wenn sich die Funktion deutlich gewandelt hat, dient die ehemalige bergbauliche Anlage bis in die Gegenwart den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt.

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