Geschichte und Geschichten aus der Sonderausstellung: „Reisen in den Schoss der Mutter Erde – Montantourismus im Harz“
Die ersten Harz-Andenken, die Reisende mit nach Hause brachten waren Mineralien, Versteinerungen und ungewöhnliche Pflanzen. So brachte beispielsweise im Jahre 1761 der Domdechant Freyherr Spiegel zum Diesenberg von seiner Harzreise ein Büschel Moos als Souvenir mit und dieses Harzmoos inspirierte die Dichterin Anna Louisa Karsch zu ihrem Werk Das Harz-Moos: „Gott zeigt in seiner Schöpfung Werke, Sich über unserm Haupt, sich auf der Erde groß; Er gab der Sonne Glut, er gab dem Löwen Stärke, Und bildete das kleinste Moos, Das an dem Harzberg wächst, … .“ (Das gesamte Gedicht können Sie in der Sonderausstellung lesen.) Auch Goethe kannte die Karschin, wie sie genannt wurde, und er lobte ihre Werke: „Mir ist alles lieb und werth was treu und stark aus dem Herzen kommt.“ Es ist nicht bekannt, welche Moosart die Dichterin damals betrachtet hatte. Noch heute gibt es im Harz außergewöhnliche Pflanzen und im Nationalpark Harz wachsen zahlreiche Moose, von denen jedoch inzwischen zahlreiche Arten als bestandsgefährdet eingestuft werden. Aus diesem Grund ist es heute strengstens verboten Moose als Harz-Souvenir mit nach Hause zu nehmen!
Jedoch lassen sich immer noch echte Harz-Mineralien käuflich erwerben, auch wenn man bei seltenen Stücken, tief in die Tasche greifen muss. Denn sie werden seit dem Ende des Bergbaus nicht mehr aus dem Berg herausgeschlagen. Sie stammen hauptsächlich aus Privat-Sammlungen, die von Händlern aufgekauft wurden oder von historischen Halden, wo das Sammeln jedoch inzwischen ebenfalls verboten ist.
Die Faszination Mineralien zu entdecken, zu bestimmen und zu sammeln ist nicht neu und wird zum Beispiel im frühesten allseits bekannten Harz-Reiseführer von Georg Henning Behrens aus dem Jahr 1703 beschrieben. Laut Behrens wurde der Reisende, Curiosus genannt, nach seiner Einfahrt in die Grube zur übertägigen Erzhalde gebracht, wo er sich ein Stück Erz zur Curiosität und zum Andenken mitnehmen konnte. Außerdem könne der Führer, so Behrens, sofern man ihn frage, seltene Stücke beschaffen.
Bereits im 18. und 19. Jahrhundert gab es einen schwungvollen Handel mit Harzer Mineralen. Belegt ist dies zum Beispiel in den Erinnerungen des Johann Christoph Sachses („Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers, von ihm selbst verfasst“; 1822). Dessen Auftraggeber, ein Bergrat aus Weimar, schickte ihn nach Zellerfeld, um dort bei einem gewissen Schichtmeister Mineralien einzukaufen. Denn sein Auftraggeber betrieb einen einträglichen Mineralien-Handel. Sachse, der mit einer Schubkarre zu Fuß oder per Fuhrwerk in den Harz reiste, erlebte auf dieser Reise zahlreiche Abenteuer. So wurde er in Hasselfeld kurzzeitig festgenommen und später, als er seine Reise fortsetzen durfte, im Wald von zwei Kerls ausgeraubt. Als er schließlich in der Nacht nach Hohegeiß kam, fiel ihn an der Tür des Wirtshauses ein Hund an und biss ihn ins Bein, so dass er am nächsten Morgen nicht mehr weiterreisen konnte. Aber der Wirt schickte einen Boten nach Zellerfeld, der die Mineralien brachte. Nach drei Tagen Pflege war er genesen, fuhr mit den Mineralien nach Weimar zurück und erhielt nach seinem Reisebericht aufgrund der ausgestandenen Gefahren den doppelten Lohn ausgezahlt.
Einige besondere Mineraliensammlungen waren auch beliebte Anziehungspunkte von Harz-Reisenden. So besaß der Clausthaler Apotheker Johann Christoph Ilsemann Ende des 18. Jahrhunderts eine ansehnliche und allseits berühmte Mineraliensammlung, die auf Anfrage besichtigt werden konnte. Ilsemann unterrichtete Bergschüler in den Fächern Mineralogie, Chemie und Metallurgie. Goethe schreibt in seinem Tagebucheintrag am 9.12.1777: „Früh auf die Hütten, nach Tische by Apothecker Ilsemann sein Cabinet sehn. Abends nach Altenau.“
Besondere Montanreisende und solche mit Beziehungen erhielten zudem die Möglichkeit selbsttätig außergewöhnliche Mineralien aus dem Berg heraus zu schlagen. So fuhr im Jahre 1786 Dorothea Schlözer, die Tochter des bekannten Göttinger Historikers und Universitäts-Professors August Ludwig Schlözer, in die Grube Samson in St. Andreasberg ein.
Sie schrieb in ihrem Tagebuch: „Auf dem dritten Stoß sah ich einen mächtigen Gang Rothgülden, woran, wenn man nur mit einem Fäustel daran schlug, alles blutroth aussah. Hier bekam man Schlägel und Eisen, und man machte mir selbst ein Stück Krystallinisch Rothgülden (Anm. d. Verf.: Pyrargyrit) los, das mir zum Lohn versprochen war.“ Ein Jahr später im Alter von 17 Jahren erwarb Dorothea Schlözer als erste Frau Deutschlands den Doktortitel in Philosophie.
Diese Reiseandenken und Reiseerzählungen aus dem Harz und weitere außergewöhnliche Objekte und Geschichten finden Sie in der Sonderausstellung „Reisen in den Schoss der Mutter Erde – Montantourismus im Harz“.
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