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Mariano Rinaldi Goñi: Erz – Nornen – Mythen, Farben und Metalle

Schon zum zweiten Mal mussten die Kunsttage am Rammelsberg mit dem Künstler Mariano Rinaldi Goñi aufgrund der Corona-Pandemie verschoben werden. Aber wir sind optimistisch: nächstes Jahr veranstalten wir dieses großartige Event mit live performances, Workshops, Künstlerführungen und vielem mehr! Und damit wir uns schon vorfreuen können, wird es an dieser Stelle in unregelmäßigen Abständen eine kleine Einstimmung vom Künstler selbst geben.

Die Galerie Deschler in Berlin, die Goñis Kunst präsentiert, beschreibt sein künstlerisches Schaffen folgendermaßen:

„Ungestüm, wild und voller Leidenschaft präsentiert Mariano Rinaldi Goñis kräftiger Pinselstrich „Mythen, Farben und Metalle“ auf Leinwand. Die jahrtausendelange Geschichte sowie die Ressourcen, die ihm der Harz zur Verfügung stellt, werden in des Künstlers Emotionen vereint.
Die unbändigen Frauenmotive, die auf den ersten Blick Goñis Leinwänden entspringen, entstammen der germanischen Mythologie und versinnbildlichen die schicksalsbestimmenden Nornen. Sie sind keine mild lächelnden klassisch-griechischen Göttinnen, auch keine selig-verklärten Jungfrauen oder passiv sich hingebenden Venusgestalten, sondern kraftvolle und hitzige Wesen. Goñis Faszination für diese fantastischen Frauen entsteht durch die Bedeutung ihrer Vorgängerinnen, den Hexen, mit welchen der Künstler bereits als Kind in seiner Heimat Argentinien konfrontiert wurde und die sein Gespür für das Verborgene und Mystische aufbrodeln ließen. Sein Großvater entfachte durch mystische Erzählungen aus dem Schwarzwald Goñis Begeisterung für die germanische Mythologie:

Mariano Rinaldi Goñi, Hexe, Öl auf Leinwand, 2020

Die Göttin Gullveig, in der nordischen Mythologie die Göttin des Goldes, bezeichnet die Entstehung der Nornen. Sie gehört dem Geschlecht der Wanen an und war die Hüterin der Schätze, die das damalige Konzept von Gold als Geld verkörperte. Der Neid der Asen auf das Geheimnis des Ursprungs des Reichtums forderte, dass Gullveig dreimal verbrannt wurde. Daraufhin brach ein Krieg zwischen den Wanen und den Asen aus, welcher seine Versöhnung in der Durchmischung beider Völker fand. Die Töchter dieser ersten, dreimal verbrannten Hexe, gehen als die ersten drei Nornenschwestern – Urðr, Verðandi und Skuld – hervor. Sie verkörpern die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die die Schicksalsfäden der Menschen und Götter spinnen.

Für Goñi schafft der etymologische Hintergrund die Verbindung zur Farbe und dem kraftvollen Ausdruck der Motive auf seiner Leinwand. Die Nornen (Nornier, Nornir nord. „Raunende“) werden jeweils durch eine Rune repräsentiert, welche ihre Bedeutung wiederum in einer Naturgewalt findet. Urðr steht für die Vergangenheit und bedeutet „Schicksal“ beziehungsweise „Gewordene“, ihre Naturgewalt ist Hagel. Verðandi bedeutet „Seiende“ und bezieht sich auf die Gegenwart. Ihr wird die Rune ISA (Is), die Eisrune zugesprochen. Skuld ist die Norne der Zukunft, die „Werdende“. Die Hitze und Gewalt des Feuers schreibt ihr eine unberechenbare Macht zu. So erschöpfen sich Hagel, Eis und Feuer in kräftigem Rot, tiefem Schwarz und reinem Weiß auf Goñis Leinwand.

Sich den Mythologien des Harzes vor Ort hingeben zu können, unter Tage das raue Klima und die eindringliche Gewalt des Berges zu spüren sowie sich mit dessen Ressourcen auseinanderzusetzen, ermöglicht es dem Künstler, sein Schaffen am Rammelsberg noch leidenschaftlicher auszuleben. Die Farben auf seiner Leinwand, angereichert mit Rammelsberger Ocker oder anderen Pigmenten und Mineralen des Harzes, bezeugen die gewaltigen geologischen Prozesse im Erdinnern. Die Lagerstätte des Rammelsberges entstand durch den Austritt heißer, metallhaltiger Thermen am Meeresboden, bezeugt die Gewinnung der kostbaren Minerale, die aus der Tiefe der Erde ans Tageslicht gefördert wurden – und somit als eine Art Archäologie dieser vorgeschichtlichen Ereignisse gelesen werden. Mit der Kraft der Maschinen werden Erzhandel und industrielle Macht vorangetrieben, während die Ängste der Bergleute vor einem unerwarteten Ereignis unter Tage bittere Realität bedeuten. Das Ausgeliefertsein des rationalen Individuums im Angesicht unbeherrschbarer, äußerer Kräfte einer den Menschen weit überragenden Natur, spiegelt sich in einer ähnlichen Unbeherrschbarkeit innerer Kräfte in der irrationalen Natur des Menschen wider.
Die mysteriösen und unfassbaren Kräfte der Natur, die über Leben und Tod entscheiden, werden in allen Kulturen durch Mythen und Legenden ausgedrückt und damit fassbar gemacht. Die Arbeit unter Tage, mit all ihren Gefahren und Unwägbarkeiten, hat auch im Harz viele Mythen und Legenden hervorgebracht.
Mariano Rinaldi Goñis mythologische Auseinandersetzung, ermöglicht die sinnbildliche Formgebung und Sichtbarmachung verborgener, scheinbar zutiefst chaotischer und schicksalsbehafteter Wirkkräfte im Inneren. Durch den emotionalen Prozess in der Schaffensphase des Künstlers an einem Ort des Ursprungs, kommt ein neues Werk zu Tage.“

In vier Kurzfilmen stellt Goñi die Erznornen vor. Hier folgt nun der erste:

Mariano Rinaldi Goñi: „Gullweig“ ©Galerie Deschler, Berlin

Die Kunsttage mit Mariano Rinaldi Goñi werden vom 2. April bis 15. Mai 2022 am Rammelsberg stattfinden. Weitere Informationen auf www.rammelsberg.de/ausstellungen.

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