Im Rahmen eines Seminars zum Thema „Montanindustrie im Nationalsozialismus. Das Beispiel Erzbergwerk Rammelsberg in Goslar“ bei Prof. Dr. Karl-Heinz Schneider (Leibniz-Universität Hannover) und Dr. Johannes Großewinkelmann (Weltkulturerbe Rammelsberg) wurde von einer Studierendengruppe das Thema Zwangsarbeit im Nationalsozialismus bearbeitet. Die Gruppe wollte Schicksale der überwiegend aus Osteuropa stammenden Menschen, die während des Zweiten Weltkrieges zur Arbeit im Erzbergwerk Rammelsberg gezwungen wurden, erforschen.
Viele Schicksale Rammelsberger Zwangsarbeiter wurden bereits vor ca. 20 Jahren von Bernhild Vögel untersucht und die Ergebnisse dieser Forschung sind in der kulturhistorischen Dauerausstellung des Weltkulturerbes Rammelsberg, sowie in mehreren Publikationen veröffentlicht worden.[1] Erstmalig aber konnten im Seminar Verwaltungsakten, insbesondere Monats- und Jahresberichte des Erzbergwerks Rammelsberg aus den Jahren 1938 bis 1948 zum Thema Zwangsarbeit ausgewertet werden. Diese Akten enthalten Unterlagen, die aus der Perspektive des Verwaltungsapparates und der Bergwerksleitung den alltäglichen Umgang mit den Zwangsarbeitern steuerten. Es ist die Perspektive der Verantwortlichen, der Täter, auf die Zwangsarbeit.
Die Berichte in den Verwaltungsakten sprechen von Zwangs- und Dienstverpflichtungen, von Arbeiten bis zu 60 Stunden pro Woche und „freiwilligen Sonntagsarbeiten“. Sie bestimmen die offiziellen Lebensmittelmengen und tatsächlichen Essensrationen. Sie beschreiben die Unterkünfte, ihre Enge, die minimalistische Ausstattung und den regelmäßigen Befall durch Wanzen, Läuse und Flöhe. Sie schildern die Bekleidung, die nicht mehr als eine unzureichende Bedeckung war. Sie führen akribisch auf, wer wieviel verdient hat und dass für selbstverständliche Sachen, wie Seifenpulver, bezahlt werden musste.
Und sie schildern den Mangel an Gebrauchsgegenständen, wie z. B. Handtüchern, für die Zwangsarbeiter keine Bezugsscheine bekamen. Sie erzählen von unmenschlichen Behandlungen, von Strafen und Demütigungen. Und hinter dieser unzähligen Menge an Verwaltungsmaterial stehen Einzelschicksale, stehen Menschenleben, deren Alltag unter unmenschlichen Bedingungen „verwaltet“ wurde.
Ein Beispiel aus den Verwaltungsakten ist der Bericht über den Arbeitsunfall des Grigori Berestowskij am 17.04.1943 auf dem untertägigen Verladeplatz der Aufbereitungsanlage. Dazu wurde von einer Seminargruppe ein kurzer Dokumentarfilm erarbeitet, den Sie hier sehen können:
Von Monika Wergandt und Johannes Großewinkelmann
[1] Vgl. Bernhild Vögel (Hrsg.): System der Willkür. Betriebliche Repression und nationalsozialistische Verfolgung am Rammelsberg und in der Region Braunschweig. Goslar 2002. Vgl. Bernhild Vögel: „Wir waren fast noch Kinder“. Die Ostarbeiter vom Rammelsberg. Goslar 2003.
Schreibe einen Kommentar