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Aus der Sammlung des Weltkulturerbes Rammelsberg: Klein aber von großer Bedeutung – Der amerikanische Briefbeschwerer

Der kleine Briefbeschwerer aus Zink (8 cm breit und 6 cm hoch) gehört auf den ersten Blick nicht gerade zu den eindrucksvollsten Objekten aus der Sammlung des Weltkulturerbes Rammelsberg. Als Werbeprodukt für eine neue Zinkqualität gab die New Jersey Zink Co. aus Pennsylvania in den USA die kleinen Briefbeschwerer Mitte der 1930er Jahre an Partnerunternehmen heraus. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Hüttenwerke in Oker hat dieses Zinkstück dem Weltkulturerbe Rammelsberg für die Sammlung übergeben.

Erst beim Lesen der Aufschrift wird deutlich, dass der Briefbeschwerer auf ein ganz bestimmtes historisches Ereignis des Rammelsberger Bergbaus hinweist. Die Aufschrift lautet: „968 – 1935 Rammelsberg. Erstes Zink, Palmerston 4. Juli 1935“

Erstes Stück Zink (Briefbeschwerer) aus verhüttetem
Rammelsberger Zinkkonzentrat, hergestellt von der New Jersey Zinc Co. in Palmerton (USA), 1935 © Sammlung Weltkulturerbe Rammelsberg

Ab 1934 investierte die nationalsozialistische Regierung mit millionenschweren Subventionen in die Modernisierung des Erzbergwerks. Das Geld aus diesem „Rammelsberg-Projekt“ nutzte die Geschäftsführung der Unterharzer Berg- und Hüttenwerke G.m.b.H., als Betreiberin des Bergwerks, für den Bau einer neuen Erzaufbereitung. Das Erz aus dem Rammelsberg besaß einen hohen Metallgehalt, es konnte aber nur unzureichend vom umgebenden „tauben Gestein“ gelöst werden.

Bereits im Juli 1933 kam eine Dissertation von Emil Kraume über die „Schwimmaufbereitung von Rammelsberger Blei-Zink-Erz“ heraus. Kraume wurde ab 1934 gezielt als technischer Spezialist von den nationalsozialistischen Geschäftsführern des Erzbergwerks, Paul Ferdinand Hast und Hans-Hermann von Scotti, mit dem Aufbau und den Betrieb der Aufbereitung betraut. Er installierte die von ihm untersuchte „Schwimmaufbereitungtechnik“ am Rammelsberg. 

Emil Kraume auf dem Gelände des Erzbergwerks Rammelsberg in
den 1930er Jahren
© Sammlung Weltkulturerbe Rammelsberg

Neben der Verbesserung der Aufbereitung musste auch die Verhüttung, insbesondere des aufbereiteten Zinkkonzentrats, modernisiert werden. Die nationalsozialistische Rüstungswirtschaft verlangte nach guten Qualitäten an Zink in großen Mengen für Bleche und Gussteile. Hierzu baute die Unterharzer Berg- und Hüttenwerke G.m.b.H., im Rahmen des „Rammelsberg-Projektes“ in Harlingerode eine Zinkhütte. Diese Zinkhütte arbeitete mit einem neuen Produktionsverfahren, das in den USA von der New Jersey Zinc Co. in Palmerton (Pennsylvania) entwickelt wurde. Die amerikanische Zinkhütte gehörte zu den größten Zinkproduzenten der USA. Die neue Verhüttungsmethode, nach dem Ort ihrer ersten Anwendung als „New-Jersey-Vertical-Retort-Verfahren“ bezeichnet, verbesserte die Produktion und machte die Zinkherstellung billiger.

Das neue Verhüttungsverfahren ermöglichte es der deutschen Rüstungswirtschaft, genügend Zink zur Produktion von Waffen und Kriegsgerät zu haben. Damit konnte das nationalsozialistische Regime im Zweiten Weltkrieg dann ab 1943 auch gegen die USA Krieg führen und die halbe Welt in Schutt und Asche legen.

Das kleine Zinkstück aus der Sammlung des Weltkulturerbes Rammelsberg verweist auf wenigen Quadratzentimetern Fläche darauf, wie die friedliche Zusammenarbeit eines deutschen und eines amerikanischen Unternehmens durch die Diktatur des nationalsozialistischen Regimes genutzt wurde, um einen der brutalsten Kriege der Menschheitsgeschichte führen zu können.

Und ein weiteres weltgeschichtliches Thema wird in der Beschriftung benannt: Das Datum „4. Juli“ ist für die Geschichte der transatlantischen Beziehungen zwischen den USA und Europa von großer Bedeutung. Am 4. Juli 1776 erklärte die USA ihre Unabhängigkeit vom Königreich Großbritannien und dieser Tag ist seitdem ein großer amerikanischer Feiertag.

Mit mehr historischer Bedeutung kann ein solch kleines Objekt kaum noch aufgeladen werden. Der Briefbeschwerer aus der Sammlung des Weltkulturerbes Rammelsberg verdeutlicht, welchen Wert konkrete Gegenstände für die Vermittlung komplexer historischer Zusammenhänge haben können.

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