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Interview mit Prof. Dr. Klaus Türk

Prof. Dr. Klaus Türk (Wuppertal) hat den Katalog zur Arbeiterskulpturensammlung von Werner Bibl verfasst. Der Katalog wird als Begleitband zur Sonderausstellung „Hard Work“ im Museumsshop des Weltkulturerbes Erzbergwerk Rammelsberg angeboten. Mit seinen hervorragenden Fotos von Volker Beushausen und den prägnanten analytischen Beschreibungen von Prof. Türk ist diese Publikation eine einmalige Gelegenheit, sich umfänglich über dieses Genre der europäischen Kunst zu informieren. Prof. Türk hat sich seit Jahren im Rahmen seines Forschungsschwerpunktes „Bilder der Arbeit“  mit der Thematik auseinandergesetzt und  ist ausgewiesener Experte für die Geschichte der Arbeiterskulpturen in Europa. Wir haben mit Ihm über die Arbeit an dem Katalog und Hintergründe seiner beruflichen Tätigkeit gesprochen.

Museum: Herr Prof. Türk, vielleicht können Sie zunächst kurz ihren beruflichen Werdegang schildern.

Prof. Dr. Klaus Türk Prof. Türk: Nach einer Banklehre habe ich Wirtschaftswissenschaften, Sozialgeschichte und Soziologie an der Universität Hamburg studiert. Nach Promotion und Habilitation hatte ich zunächst eine Professur für Soziologie an der Universität Trier bis ich 1990 an die Bergische Universität Wuppertal wechselte. Neben anderen Forschungsaktivitäten habe ich mich seit Anfang der 1980er Jahre mit dem Thema der Darstellung menschlicher Arbeit in der bildenden Kunst befasst und dazu bis heute mit dem Archiv BILDER DER ARBEIT die weltweit umfassendste Bibliothek und Bilddatenbank (mit 40.000 verzeichneten Kunstwerken) aufgebaut. Die Arbeiterskulptur ist dabei nur ein Teilthema.

Museum: Welcher Anlass hat dazu geführt, dass Sie sich mit „Arbeiterskulpturen“ beschäftigt haben?

Prof. Türk: Eines meiner wissenschaftlichen Betätigungsfelder war und ist die Sozialgeschichte der Arbeit. In diesem Zusammenhang interessiere ich mich für die Rolle der bildenden Kunst bei der Interpretation und Verkörperung von kulturellen, ideologischen und politischen Vorstellungen bzgl. dieses wohl wichtigsten Bereichs der modernen Gesellschaft. Arbeiterskulpturen können Auskunft geben über historische Deutungen und Politisierungen menschlicher Arbeit, aber auch über vergangene Arbeitstechnologien und Wertschätzungen.

Museum: Wie kam der Kontakt mit dem Sammler Werner Bibl zustande und was hat Sie veranlasst, nach der Publikation zu den Arbeiterskulpturen in der Grohmann-Sammlung auch einen Katalog über die Bibl-Sammlung zu verfassen?

Prof. Türk: Nun, vor vielen Jahren kamen das Sammlerinteresse von Werner Bibl und meine wissenschaftliche und dokumentatorische Arbeit zusammen. Wir konnten schnell eine gemeinsame Basis ausmachen und arbeiten seit vielen Jahren erfreulich und produktiv zusammen. Es lag nahe, auch die Sammlung Werner Bibls zu dokumentieren, um dann zusammen mit dem Bildband über die Skulpturen des Grohmann Museums an der Milwaukee School of Engineering weltweit erstmals eine nahezu repräsentative Darstellung dieses Genres der Öffentlichkeit anzubieten. Durch das großzügige Engagement von Dr. Eckhart G. Grohmann konnte dieses Publikationsvorhaben dann tatsächlich realisiert werden.

Museum: Herr Prof. Türk, ich könnte mir vorstellen, dass der Rechercheaufwand für die beiden Kataloge zu den Arbeiterskulpturen sehr groß war. Wo haben Sie recherchiert und konnten Sie auf Vorarbeiten zugrückgreifen oder haben Sie völliges Neuland betreten?

Prof. Türk: Der Rechercheaufwand war tatsächlich erheblich. Zurückgreifen konnte ich auf mein umfangreiches Archiv BILDER DER ARBEIT, auf Internetressourcen und auf teils erhebliche Recherchearbeit von Werner Bibl. Forschungsarbeiten zu dem Thema gibt es bislang praktisch nicht, allerdings waren teils kunstgeschichtliche Publikationen zur Geschichte der Skulptur im Allgemeinen hilfreich.

Museum: Der Katalog profitiert neben Ihren prägnanten analytischen Beschreibungen von den ausgezeichneten Bildern des Fotografen Volker Beushausen. Foto und Beschreibung bilden in dem Katalog eine Einheit. Wie funktionierte die Zusammenarbeit mit dem Fotografen? Haben Sie Vorgaben gemacht, nachdem der Fotograf gearbeitet hat?

Prof. Türk: Die Gewinnung des Fotodesigners Volker Beushausen für das Projekt war ein Glücksfall. Er hatte sich sehr schnell in die Materie eingearbeitet und ein herausragendes Gefühl für die Figuren entwickelt. Wir waren während der Fotosessions in engem Kontakt. Aus den insgesamt 10.000 geschossenen Fotos habe ich dann eine Auswahl getroffen, sämtliche Skulpturen in den Fotos von den Hintergründen freigestellt, die Bilder ggf. beschnitten und in diversen anderen Hinsichten angepasst und dann auf eigens entwickelten Hintergründen mit speziellen Farbverläufen montiert. Insgesamt war es eine sehr aufwändige, aber auch Freude bereitende, kreative Arbeit.

Museum: Sie haben es in Ihrem Einführungsvortrag zur Eröffnung der Sonderausstellung „Hard Work“ erwähnt, dass die meisten Arbeiterskulpturen in der Zeit von 1850 bis 1950 in Deutschland, Belgien und Frankreich geschaffen wurden. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum im „Mutterland“ der Industrialisierung, in Großbritannien, dieses Kunstgenre relativ unbedeutend blieb?

Prof. Türk: Gute Frage, die ich schlicht mit „Nein“ beantworten muss. Hier gibt es weiteren Forschungsbedarf. Die nächste Generation muss ja auch noch etwa zu tun haben…

Museum: Sammeln Sie auch Arbeiterskulpturen ?

Prof. Türk: Nein. Ich sammle nur Schrift- und Bildmaterialien.

Museum: Würden Sie sagen, dass man als Verfasser einer solchen Publikation selber ein Sammler-Typ sein muss, um eine gewisse Leidenschaft für die Dinge zu haben oder steht das der nüchternen Analyse der historischen Hintergründe eher im Weg?

Ein ausgesprochener Sammler muss man wohl nicht sein, obwohl ich es ja auch in gewisser Weise bin. Leidenschaft gehört zur Wissenschaft, die aber dann zu in jeder Hinsicht nachvollziehbaren und überprüfbaren Aussagen führen muss. Reine Begeisterung oder auch emotionale, ggf. auf Geschmack beruhende Ablehnung dessen, womit man sich befasst, darf nicht die Objektivität beeinträchtigen.

Museum: Ja, und diese Frage bleibt Ihnen auch nicht erspart: Welche Skulptur aus der Sammlung Bibl ist Ihre Lieblingsskulptur?

Das hängt von der Perspektive ab. Unter ästhetisch-künstlerischen Aspekten sprechen mich z.B. die Figuren von Constantin Meunier, Bernhard Hoetger und Aimé-Jules Dalou besonders an. Kulturgeschichtlich halte ich z.B. die allegorischen Figuren, die kräftigen Schmiedegestalten und auch einige Darstellungen von Bergarbeitern für besonders interessant. Aber eigentlich haben so viele der Skulpturen eine interessante Geschichte, dass man – je mehr man sich mit einer Figur befasst – sie u.U. auch immer mehr schätzen lernt.

Museum: Gibt es Ihrer Meinung nach in der aktuellen Kunstszene eine moderne Variante des Kunstgenres „Arbeiterskulptur“?

Die gegenwärtige Szene zu diesem Gebiet ist noch nicht komplett aufgearbeitet. Es fällt aber auf, dass es vor allem im Bereich der Großskulptur im öffentlichen Raum in vielen Ländern der Erde neue Arbeiten gibt, die stilistisch teils ganz traditionell orientiert sind, teils aber auch nach neuen Darstellungsformen suchen. Ein Beispiel ist Jonathan Borofskys „Hammering Man“, der in mehreren Großstädten, u.a. in Frankfurt, steht. Im Bereich der Kleinskulptur gibt es auch neuere Arbeiten; ich denke dabei z.B. an die wunderbaren Darstellungen arbeitender Frauen von Cecilia Herrero-Laffin. Beispiele findet man auf meiner Website www.bilder-der-arbeit.de

 

Museum: Herr Prof. Türk, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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One comment on “Interview mit Prof. Dr. Klaus Türk
  1. Udo Haarmann sagt:

    Hallo
    handelt es sich bei diesem Klaus Türk um meinen ehemaligen Schulfreund aus Bochum, Natorpschule, wohnhaft zu der Zeit, Markstrasse

    Danke für die Antwort
    Gruss
    Udo Haarmann

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