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Eigenbauten am Arbeitsplatz: der Fensterwischer des Haspelführers

Industrie- und sozialgeschichtlich ausgerichtete Museen haben zwangsläufig einen über die technikgeschichtlichen Höhepunkte hinausreichenden Präsentations- und Sammlungsansatz. Es reicht deshalb nicht aus, sich am Höhenflug bedeutender Ingenieurleistungen zu orientieren. Man muss sich hinunter begeben auf die Stufe der vielen, meist namenslosen, Tüfteleien und Erfindungen in der alltäglichen Praxis der Arbeit. Der Begriff Innovation soll an dieser Stelle aus seiner oft engen Verbindung mit herausragenden komplexen Erfindungen herausgelöst und auf den Alltag der Arbeit herunter gebrochen werden. Vor diesem Hintergrund sollen in loser Abfolge einige Exponate aus der Sammlung des Weltkulturerbes Erzbergwerk Rammelsberg präsentiert werden, die sich am präzisesten mit den Begriff „Eigenbauten“  umschreiben lassen. Das Spektrum der Objekte unter den genannten Oberbegriff reicht von primitiven Arbeitsschutzvorrichtung, über kleine Hilfskonstruktionen bis zu Eigenbau-Maschinen.

Wir beginnen die Präsentation von Eigenbauten mit einem für die bergbautechnisch ausgerichtete Sammlung am Erzbergwerk Rammelsberg ungewöhnlichen Objekt: Es ist ein Scheibenwischer für ein Auto, der mit einer speziellen Halterung an einer langen Holzstange befestigt wurde.

Dieses Objekt wurde im Haspelhaus der Schrägförderanlage des Erzbergwerkes Rammelsberg gefunden. Nach der Stilllegung der Schrägförderanlage 1993 war das Haspelhaus am Hang des Rammelsberges, 43 Höhenmeter oberhalb der Werksstraße des Erzbergwerkes, in einen Dornröschenschlaf versunken. Die Werkzeuge lagen an den ihnen zugewiesenen Stellen und die Arbeitskleidung hing ordentlich im Spind. Der Arbeitsplatz des Haspelführers, der während des Betriebes der Schrägförderanlage die Förderwinde bedient hatte, war noch so eingerichtet, als hätte er gerade nur eine Mittagspause eingelegt. Nur eine feine Staubschicht auf den Dingen zeigte an, dass dieser Arbeitsplatz seit Jahren verlassen war.

Der an einem langen Stiel montierte Scheibenwischer stand in einer Ecke in der Nähe der Eingangstür. Mit diesem selbstgebauten Werkzeug konnte der Haspelführer von außen die Fensterscheibe reinigen, durch die er den Betrieb der Schrägförderanlage beobachtete. Ständige Verschmutzungen der Fensterscheibe  durch Witterungseinflüsse haben den Haspelführer veranlasst, sich ein einfaches Werkzeug zu bauen, mit dessen Hilfe er seinen Arbeitsalltag erleichtern konnte. Entstanden ist keine technische Meisterleistung, aber eine technische Innovation, die punktgenau für die Anforderungen einer bestimmten Arbeitstätigkeit konstruiert wurde.

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