Der ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammende „ökonomische Ansatz“ einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Waldes, das heißt der Absicherung der Zukunftsfähigkeit forstwirtschaftlicher Tätigkeit, ist in sehr unterschiedlichen Interpretationsansätzen seit den 1990er Jahren zum politisch-ökologischen Schlagwort oder gar manchmal Kampfbegriff transzendiert.
Nachhaltigkeit steht heute für den Versuch eine Balance zwischen Gebrauch, Nutzung und Vernutzung der gesamten Ressourcen eines Planeten zu finden und dabei die hierzu notwendigen Prozesse so zu organisieren, dass durch sie hervorgerufene Störungen das Gesamtsystem nicht bedrohen. Man könnte auch sagen, es ist ein Prozess einer sich verändernden Bedeutungszuschreibung: primäre Relevanz hat nur noch, was das gesamte System zukunftsfähig macht und für alle dort existierenden Lebewesen eine positive Existenzsituation hervorbringt.
Dieses stark reduzierte Bild ist natürlich gegenwärtig nicht realitätstauglich und steht im Gegensatz zu unserer Alltagsrealität und zu zahlreichen Verhaltensweisen unserer politischen Handlungsträger.
Welchen Platz hat Kultur oder besser gesagt Weltkultur in diesem Kontext?
Vom gedanklichen Ansatz her sind die kulturellen Welterbestätten quasi per Definitionen nachhaltig. Sie sind einmalige historische Zeugnisse sehr spezifischer menschlicher Verhaltensweisen, wobei jede einzelne symbolhaft für das gesamtkulturelle Handeln der Menschen zu verstehen ist. Ihnen wird gleichermaßen ein überzeitlicher Erhaltungsauftrag zugeschrieben. Das heißt, das Bewahren von Artefakten und das Entwickeln derselben, ohne diese zu zerstören oder zu vernutzen, ist Grundlage des Seins einer kulturellen Welterbestätte.
Kulturelles Welterbe scheint also per se nachhaltig zu sein- auch dieser Ansatz ist natürlich stark verkürzt, bietet aber eine bedenkenswerte Perspektive, wenn wir ihn in Beziehung zu unserer kulturellen Alltagspraxis setzen.
Schauen wir uns den umgebenden Raum an, so müssen wir feststellen, dass wir unsere Lebenswelt mit mehr oder weniger kurzlebigen Benutzeroberflächen überziehen, ohne uns die Frage zu stellen, wie sinnvoll oder für wie lange die vorgenommene Veränderung – die oft nicht reversibel ist – für uns oder für zukünftige Generationen ist. Kurz gesagt, der Nutzen unserer Maßnahmen ist oft auf historisch gesehen extrem knappe Zeiträume ausgelegt und muss in seiner Konsequenz eher als Verbrauch bezeichnet werden. In diesem Kontext begegnet uns des Öfteren der Begriff des Landschaftsverbrauchs, der eine zunehmende Überformung mit kurzfristigen Gebrauchsformen meint, die unwiederbringlich bestehende Ökosysteme zerstören.
Dem voraus gehen allerdings Ausdrucksformen der Mentalität und des Zeitgeistes, die den subjektiven Verbrauch quasi als selbstverständlichen Daseinszustand betrachten. Diese Herrschaft des Verbrauchs ist den meisten Menschen noch im Bereich der Erzeugung und Nutzung von Kriegsmaterial erklärlich. Die Produktion eines Panzers dient dem ausschließlichem Sinn selbigen oder einem anderen ähnlicher Bauart zu „Verbrauchen“.
Deutlich schwieriger nachvollziehbar ist für viele Menschen das „Verbrauchsgut Zeitgeist“. Zu erleben ist dieses in einer seit rund 40 Jahren stattfindenden komplexen Eventisierung des Landschaftraums. Mögen die ersten Baumwipfelpfade noch das höhere Ziel gehabt haben, die Flora und Fauna des Waldes aus einer anderen Perspektive näher zu bringen, so sind die Waldbewohner inzwischen vor der Vielzahl der Menschen längst ausgezogen und die Wipfelpfade mit Hochzeitsfeiern und Feuerwerken längst zur Eventlocation mutiert.
Wäre diese Umgangsform mit unseren Lebensraum nur privatwirtschaftlich organisiert, könnte man dies als systemische Entscheidung wohl noch hinnehmen. Indes werden mit öffentlichen Mitteln mitfinanzierte „Aussichtstürme ins Nichts“ oder „schwebende Brücken für Nervenkitzel“ erstellt, deren relevante Halbwertzeit deutlich unter der eines Menschen liegen dürfte. All diese Formen der sinnlosen Inszenierung des Alltags stehen in diametralen Gegensatz zu einer nachhaltigen Entwicklung. Getragen sind diese Prozesse – jenseits ökonomischer Interessen – von einer Mentalität der „Unmittelbarkeit“, das heißt von dem Bedürfnis etwas vermutlich Erwünschtes quasi von heute auf morgen zu realisieren, ohne es auf seine Sinnfälligkeit oder seinen langfristigen Nutzwert zu überprüfen.
Nachhaltigkeit im Umgang mit unseren kulturellen Ressourcen erfordert den Willen zur Reflexion, zur Abkehr von einer „Amazon-Mentalität“ und die Bereitschaft die Dinge des Tuns auf ihren langfristigen Nutzen zu hinterfragen. Soziale, ökologische und kulturelle Nachhaltigkeit ist nur dann zu realisieren, wenn man den „Zeitgeist gegen den Strich bürstet“.
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