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30 Jahre Weltkulturerbe

Der 14. Dezember 1992

30 Jahre bilden nach allgemeiner Vorstellung die Dauer einer Generation. Wenn man also im Jahr 2022 in Goslar auf 30 Jahre Weltkulturerbe zurückblickt, müsste man die Elterngeneration fragen, wie es damals im Dezember 1992 war, als das Bergwerk Rammelsberg und die Altstadt von Goslar zum Weltkulturerbe ernannt worden sind. Oder man schaut in das Archiv der Goslarschen Zeitung. Genauer gesagt in die Ausgabe der Goslarschen Zeitung von Montag dem 14. Dezember 1992, der laut Wetterbericht regnerisch daher kommen sollte und mit einer maximalen Temperatur von +8 Grad eigentlich noch nicht auf das bevorstehende Weihnachtsfest schließen ließ. 
Die Titelseite offenbart dem Leser augenscheinlich einen ganz normalen Montag für die Kaiserstadt und ihre Bewohner. Bayern München ist wiedermal „Herbstmeister“ der Bundesliga geworden, die Bundeswehr soll ab 1993 in Somalia humanitäre Hilfe leisten und in Liebenburg formierte sich Widerstand gegen die geplante Ortsumgehung. Zwischen der Meldung eines Grand-Slam-Sieges von Michael Stich und drohender Kurzarbeit bei VW findet sich oben in der Mitte ein kleiner Artikel, aus dem hervorgeht, dass das vier Jahre zuvor geschlossene Bergwerk Rammelsberg zusammen mit der  Altstadt von Goslar auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes der Menschheit gesetzt wurde. Die fast unscheinbare Nachricht der Ernennung zum Welterbe der Menschheit auf der ersten Seite der GZ wird sich für Goslar in der Folge als eine der wichtigsten und nachhaltigsten Entscheidung herausstellen, die in der jüngeren Geschichte der inzwischen 1.100 Jahre alten Stadt getroffen wurde.

Titelblatt der Goslarschen Zeitung vom 14. Dezember 1992

 

Wie der Rammelsberg und Goslar Weltkulturerbe wurden

„Bergwerk Rammelsberg und Altstadt von Goslar“ so der offizielle Name, war 1992 die elfte Weltkulturerbestätte in Deutschland – inzwischen umfasst die Liste 51 deutsche Welterbestätten, darunter drei Natur- sowie 48 Kulturstätten (Stand November 2022). Besonders hervor zu heben ist die Tatsache, dass mit dem ehemaligen Bergwerk am Rammelsberg erstmals ein deutsches Industriedenkmal und mit der der Altstadt von Goslar nach Lübeck 1987 zum zweiten Mal ein ganzer deutscher Altstadtbereich zum Welterbe gesamten Menschheit erklärt worden ist.
Die Entscheidung, den Rammelsberg und die Altstadt für die Liste des Weltkulturerbes zu nominieren, wurde nicht am Rammelsberg selbst oder im Rat der Stadt getroffen, sondern war das Ergebnis eines Vorgangs auf höchstem internationalem Niveau.
Alleiniger deutscher Antragsteller bei dem zuständigen Welterbezentrum des Sekretariats der UNESCO in Paris war und ist das Auswärtige Amt. Grundlage der Anträge ist die deutsche Vorschlagsliste, die sogenannte Tentativliste, über deren Zusammensetzung die zuständige  Kultusministerkonferenz der Bundesländer entscheidet. Die dort aufgeführten Stätten, Orte und/oder Regionen sowie die zugehörigen Anträge sind im Vorfeld von den einzelnen Bundesländern bzw. den jeweils nachgeordneten Denkmalsschutzbehörden erarbeitet worden. Durchgesetzt hatten sich das Bergwerk Rammelsberg und die Altstadt von Goslar in der nationalen Bewerbung u.a. gegen Städte wie Wolfenbüttel, Dinkelsbühl oder Heidelberg. Der Antrag des Landes Niedersachsen für den Rammelsberg und Goslar wurde durch das zuständige Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege in Braunschweig ausgearbeitet.

Die Tentativliste dient bis zu zehn Jahre als Grundlage für die zukünftigen Anträge Deutschlands für die UNESCO-Welterbeliste – denn pro Jahr können durch die Mitgliedsstaaten der UNESCO maximal zwei Stätten beantragt werden. Über die verschiedenen Anträge des einzelnen Mitgliedsstaates entscheidet dann das UNESCO-Welterbekomitee auf seiner jeweiligen Jahrestagung. 1992 fand die Jahrestagung in Santa Fe/New Mexico USA statt.

Was allerdings vielen Bewohnern Goslars in der Vorweihnachtszeit des Jahres 1992 nicht klar oder bewusst war, war welche Folgen, Verantwortungen oder Verpflichtungen sich aus der Tatsache ergeben könnten, dass sie gleichsam über Nacht in einem Welterbe lebten und arbeiteten. Der Vorgang scheint im Vorfeld nicht ausführlich erklärt worden zu sein. Bürgerbeteiligung oder Partizipation spielten bei einen Welterbeantrag Anfang der 1990er Jahre noch keine Rolle, eine Tatsache die sich zwischen deutlich geändert. In den Leserbriefen und Kommentaren der GZ wurde schnell über mögliche Folgen für die Altstadt und den Rammelsberg diskutiert. Muss das Welterbe barrierefrei sein? Wird die Innenstadt autofrei? Oder geht der Rammelsberg jetzt in Landeseigentum über? Das waren die Fragen, die die Bewohner der Stadt um den Jahreswechsel 1992/1993 beschäftigten.
Aber die Ernennung zu einem Weltkulturerbe hat für den jeweiligen Standort keine mittelbaren rechtlichen Folgen. „Die Altstadt von Goslar liegt nicht unter eine Käseglocke!“ äußerte sinngemäß der von Amtswegen zuständige Denkmalpfleger Dr. Reinhardt Roseneck und ergänzte, dass mit dem Welterbetitel keine rechtlichen Einschränkungen verbunden seien – weder werde dadurch in die kommunale Selbstverwaltung Goslars noch in die Kulturhoheit des Landes Niedersachsen eingriffen. Allerdings ergibt sich aus dem Titel keine automatische finanzielle Unterstützung vonseiten des Landes oder des Bundes.

Welterbe Urkunde von 1992

 

2+1=3 und drei Teile bilden ein Ganzes

In den inzwischen 30 Jahren des Bestehens der Welterbestätte gibt es ein Datum, was mit Sicherheit eine Zäsur – im denkbar positivsten Sinn – darstellt, der 1. August 2010!
An diesem Tag entschied das UNESCO-Welterbekomitee auf seiner 34. Jahrestagung in Brasilia das bestehende zweiteilige Welterbe um einen dritten Teil zu erweitern. Mit der Oberharzer Wasserwirtschaft wurden montanhistorische Zeugnisse aus über fünf Jahrhunderten Teil des Weltkulturerbes der Menschheit. Die Welterbestätte firmiert seitdem unter dem Namen: UNESCO-Welterbe Bergwerk Rammelsberg, Altstadt von Goslar und Oberharzer Wasserwirtschaft.

Vertreten, verwaltet und vermittelt wird das „Welterbe im Harz“ – so die gültige Kurzbezeichnung – durch die gleichnamige Stiftung. Das Betreuungsgebiet erstreckt sich auf eine Fläche von über 200 km², es umfasst zehn museale Einrichtungen und eine Vielzahl von Bodendenkmälern.
Mit den drei in den letzten Jahren geschaffenen Welterbe-Infozentren in Goslar, Clausthal-Zellerfeld und Walkenried stehen den Besuchern der Region dezentrale Anlaufpunkte für das Welterbe zur Verfügung.  Neben diesen festen Einrichtungen verfügt die Stiftung über ein mobiles Infozentrum, welches in der Region und darüber hinaus aufgestellt wird. So beispielsweise im vergangen Jahr auf dem Gelände das Weltkulturerbes Faguswerk in Alfeld. Mit den Kollegen der benachbarten Welterbestätten aus Alfeld, Hildesheim und Quedlinburg verbindet die Stiftung seit knapp 10 Jahren eine gute Zusammenarbeit. Sichtbar unter anderem bei den „Tagen der Niedersachsen“ bei den man seit 2013 gemeinsam einen Stand betreibt.

Mit dem Oberharzer Bergwerksmuseum in Zellerfeld und dem Zisterzienserkloster Walkenried betreibt die Stiftung zwei museale Einrichtungen direkt. Und ab dem 1. Januar 2023 kommt mit der Anlage des 19-Lachter-Stollens in Wildemann eine dritte hinzu. Daneben sind bereits vier Welterbe-Erkenntniswege ausgewiesen, auf denen sich Wanderer auf eine spannende Entdeckungsreise begeben können.
Weitere Maßnahmen und Projekte sind in Planung oder derzeit schon in Umsetzung begriffen. Denn die Arbeit an und mit einem Weltkulturerbe ist nicht statisch, sondern fließend und muss immer dem Erhalt und der Vermittlung des jeweiligen Ortes dienen.

Wobei es den einen Ort in dem vielfältigen und facettenreichen Harzer Welterbe gar nicht gibt. Im Gegensatz zum Kölner Dom, dessen Bild fest im kollektiven Gedächtnis verwurzelt scheint, musste sich es das Welterbe am Anfang seines Bestehens auf eine bestimmte Art emanzipieren um als ein solches auch wahrgenommen zu werden und Bekanntheit zu entwickeln – um sichtbar und erlebbar zu werden! Neben einem umfangreichen Angebot an Führungen, (Sonder-)Ausstellungen, Veranstaltungen waren es auch verschiedenste Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen an Infoständen oder im Internet, die allein über 100.000 Besucher pro Jahr an den Rammelsberg kommen lassen (in Jahren ohne Corona). Und somit der Rammelsberg inzwischen zu den knapp 5 % der deutschen Museen zählt, welche eine sechsstellige Besucherzahl p.a. nachweisen können.


Aber auch in Zeiten fortschreitender Digitalisierung bleiben es auch zukünftig Menschen, die die Menschen durch das Welterbe führen. Die Vermittlung des Weltkulturerbes im Harz findet von Anfang an durch engagierte Stadt-, Gruben-, Gäste- und Welterbeführer statt, die den Besuchern und Bewohnern auf den verschiedenen Führungen die weltweite Einzigartigkeit der Region nahebringen.

Vom Eröffnungstag des Welterbe-Infozentrums Goslar im alten Rathaus im April 2022. Foto: Stiftung Welterbe im Harz/A. Behnk

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