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Seemann und Bergmann, zwei gefahrvolle Berufe und ein starkes literarisches Motiv


Dachdecker, Seemann, Bergmann, Kupferstich aus J. B. Basedows Elementarwerk mit den Kupfertafeln von Chodowiecki, Tafel 58 d, 1774,
Sammlung historischer Kinder – Jugendliteratur Uni Göttingen, Seminar für Dt. Philologie

„Es ist doch ein wunderbarer Gegensatz zwischen dem abwechselnden Leben des Seemanns und dem einförmigen des Bergmanns. Mit geschwellten Segeln fliegt jener von Küste zu Küste über das herrliche Meer: lustig wimmelt es in den fremden Häfen von geschäftigen Menschen. Bald bläst ein Sturm, daß die Masten brechen und das Schiff von den starken Wogen wie ein Spielzeug umhergeworfen wird, bald ist es wieder totenstill, und er ruht sich aus hoch oben im Mastkorb und schaut hinaus in den unbegrenzten Raum zwischen Meer und Himmel. Für den Bergmann hingegen gleitet ein Tag wie der andere dahin. Tief unten in dem schwarzen Schacht sitzt er bei seinem Grubenlicht und hämmert das Erz aus dem Berge heraus; still und finster wie hier in seiner Heimat wird es auch in seinem Innern. Nur der Sonntag bringt einige Veränderung; da zieht er sein besseres Kleid an, geht in die Kirche und sieht die Sonne mild in diese und in sein Herz scheinen. Zuweilen kommt er auch nachmittags nach Goslar hinein, hört die Zeitungsneuigkeiten und denkt darüber nach, wie wunderlich die Menschen dort draußen in der Welt umherstürmen; er will vielleicht auch, wenn er noch jung ist, dort hinausfliegen und sich zwischen den andern umhertummeln – aber am Montag sitzt er doch wieder tief unten im Schacht bei seinem Grubenlicht und gebraucht den Hammer, und so geht es fort, bis eine fremde Hand den letzten Hammerschlag auf seinen Sarg tut.“

Dieser einfühlsame Text ist eine Passage aus dem Buch „Reiseschatten“ des berühmten Dichters und Märchenerzählers Hans Christian Andersen. Er schrieb ihn 1837 nach seinem Besuch am Rammelsberg in Goslar.

Der Bergbau war bereits in der Goethezeit (1770-1830) ein beliebtes Thema der Literatur und viele Schriftsteller der Romantik waren ausgebildete Bergbauingenieure, so zum Beispiel Novalis (1772-1801). Und auch das literarisch starke Motiv vom Bergmann und vom Seefahrer und die Gemeinsamkeiten und Gegensätze dieser beiden Berufszweige waren bereits vor Andersen literarisch interessant. Denn die Arbeit in und mit der Natur und deren Gefahren bewirken vielfältige intensive Erfahrungen. Und das Lernen mittels echter Erlebnisse und die daraus gewonnenen Erfahrungen fördern, so Tenor der Zeit, die Persönlichkeitsentwicklung. Die faszinierende Unterwelt verbindet in der Romantik naturwissenschaftliche Forschung und Geologie mit mystischem Erleben und Traumbildern. Der Schriftsteller E. T. A. Hoffmann erdachte 1819 in „Die Bergwerke zu Falun“ die Romanfigur des jungen Seemanns Elis, der jedoch der Seefahrt den Rücken kehrte und ein anständiger Bergmann wurde. Der Gegensatz zwischen Tag und Nacht, Hell und Dunkel, also dem Meer und dem Inneren des Berges, spielt im gesamten Roman eine Rolle.

Und auch Heinrich Heine vergleicht die Naturerlebnisse im Bergwerk und auf dem Meer. Er schrieb 1826 nach seinem Besuch in der Grube Dorothea im Oberharz, im ersten Teil „In den Silberhütten“:

„Wirklich, es war betäubend, das Atmen wurde mir schwer, und mit Mühe hielt ich mich an den glitschrigen Leitersprossen. Ich habe keinen Anflug von sogenannter Angst empfunden, aber, seltsam genug, dort unten in der Tiefe erinnerte ich mich, daß ich im vorigen Jahre, ungefähr um dieselbe Zeit, einen Sturm auf der Nordsee erlebte, und ich meinte jetzt, es sei doch eigentlich recht traulich angenehm, wenn das Schiff hin und her schaukelt, die Winde ihre Trompeterstückchen losblasen, zwischendrein der lustige Matrosenlärmen erschallt und alles frisch überschauert wird von Gottes lieber, freier Luft. Ja, Luft! – Nach Luft schnappend, stieg ich einige Dutzend Leitern wieder in die Höhe, und mein Steiger führte mich durch einen schmalen, sehr langen, in den Berg gehauenen Gang nach der Grube Dorothea.“

Am 25. April 2021 eröffnet am Rammelsberg die Sonderausstellung „Reisen in den Schoß der Mutter Erde“- Montanreisen im Harz. Reiseerinnerung berühmter Literaten wie Hans Christian Andersen oder Johann Wolfgang von Goethe und anderen Reisenden – hinterlassen in Reisetagebüchern, Briefen und Notizen – werden Thema der Ausstellung sein. Sie erzählen von Reisen in den Harz und besonders von „Reisen in den Schoß der Mutter Erde“.

In unserem Blog werden wir nach und nach einzelne Themen dieser Ausstellung beleuchten. Sie dürfen gespannt sein!

(Anm. der Redaktion)

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