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Moralische Objekte: Welche Verantwortungen können aus musealen Sammlungen entstehen?

Die Diskussion um die Verantwortung von Konsumenten beim Kauf von Produkten ist seit einigen Jahren immer wieder Thema in den Medien. Wie verantwortungslos ist es, wenn wir Eier von Hühnern aus Legebatterien kaufen? Klebt Blut an unseren Händen, wenn wir Produkte nutzen, die von Rüstungsunternehmen hergestellt werden?

Erzgestein aus der Rammelsberger Lagerstätte

Ein Stück Erzgestein aus der Rammelsberger Lagerstätte

Solche sozialmoralischen Überlegungen werden, neu zugeschnitten, auch im Kontext musealer Sammlungen gemacht. Welche Verantwortung übernehmen zum Beispiel militärhistorische Museen, wenn sie Kriegsgeräte in ihren Sammlungen aufbewahren und diese zum Zwecke der historischen Bildung präsentieren? Die Antwort auf diese Frage ist im genannten Beispiel aus Sicht der Museumsmacher in öffentlichen Museen ziemlich eindeutig: Sie sind sich der hohen Verantwortung bewusst und zeigen die militärgeschichtlichen Objekte im Sinne eines unmissverständlichen Appells für den Frieden und als Mahnung vor den Folgen des Einsatzes von Waffen. In vielen privat geführten Waffensammlungen hat diese moralische Disposition keinen Platz und wird gänzlich von einer sterilen Faszination der Waffentechnik überlagert, die keine Opfer zu kennen scheint.

Moralische Überlegungen zu Objekten in der Sammlung des Weltkulturerbes Rammelsberg waren kurzfristig in der Zeit der Neueröffnung der EXPO-Ausstellung im Haus Magazin präsent, gingen danach aber schnell wieder im Alltagsgeschäft unter. Doch gibt es Zusammenhänge in der Geschichte des Bergbaus am Rammelsberg, die eine moralischen Bewertung von Objekten der Sammlung erforderlich machen: Wie ist das mit den am ehemaligen Erzbergwerk Rammelsberg geförderten Blei-, Zink- und Kupfererzen, die im Zweiten Weltkrieg für den Bau von Granatführungsringen, U-Boot-Akkumulatoren und Geschossen verwendet wurden?

Bei Rohstoffen ist die Kausalität der Moral weniger eindeutig als bspw. bei Waffen. Sicherlich, der Einwand, dass aus den Erzen ganz viele Dinge gefertigt werden konnten, die den Menschen zum Wohle dienten, ist nicht von der Hand zu weisen. Der Rückblick in die Zeit zwischen den Jahren 1933 und 1945 zeigt aber auch: Hätte das nationalsozialistische Regime die Erze des Rammelsberges nicht zur Verfügung gehabt, hätte Adolf Hitler sicherlich nicht das Vorhaben aufgegeben, einen Weltkrieg zu führen. Aber das Regime hätte es bedeutend schwerer gehabt, den Krieg zu führen. Und vielleicht wäre er auch viel eher beendet gewesen. Das Erzbergwerk Rammelsberg wurde mit millionenschwere Investitionen für die Kriegswirtschaft fit gemacht und lieferte bereits 1938 ein Drittel des im Deutschen Reich benötigten Bedarfs an Erzen für die Produktion von Blei.

Die Sammlung des Weltkulturerbes Rammelsberg enthält viele Objekte, die zu einer moralischen Bewertung auffordern und die nicht nur im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Ära stehen. Rammelsberger Erze wurden auch nach 1945 besonders gut verkauft, wenn der Rohstoffbedarf durch einen kriegerischen Konflikt anstieg. Der Korea-Krieg Anfang der 1950er Jahre und der Vietnam-Krieg in den 1960er Jahren haben die Absatzkurve des Erzbergwerkes Rammelsberg jeweils deutlich nach oben abknicken lassen.   

Es stellt sich in solchen Zusammenhängen immer die Frage, in welchem politischem Kontext wir die Produkte befragen und wieviel man über ein Objekt wissen sollte, um moralisch mit ihm umgehen zu können.

Die friedlichen, demokratischen Verhältnisse, in denen wir in der Bundesrepublik Deutschland leben, sollten uns dazu motivieren, zumindest nur an einem Objekt aus der Sammlung des Weltkulturerbes Rammelsberg den Besuchern zu vermitteln, wie sie zu einem begründbaren moralischen Urteil über die historischen Sachverhalte kommen. Dann haben wir sehr viel erreicht und dafür ist nicht unbedingt die Präsentation von Waffen notwendig, da reicht bereits ein Stück Erz.

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