„Frauen unter Tage bringen Unglück!“ Diese Meinung wird auch im Harz mitunter noch heute laut, wenn auch nur im Scherz. Denn dieser Aberglaube entstammt einer besonderen Männerwelt, zu der Frauen in bestimmten Zeiten keinen Zugang hatten. Und trotzdem gab es immer wieder Ausnahmen von der Regel. Denn bis ins 19. Jahrhundert war es in einigen Bergbauregionen durchaus üblich, dass auch Frauen unter Tage arbeiteten. Doch 1865 trat das Allgemeine Berggesetz für die preußischen Staaten in Kraft, das Frauen die Arbeit unter Tage verbot.
Trotz all dieser Hindernisse und Versuche sie von der Untertagewelt fernzuhalten, sind Frauen auch nach dieser Gesetzesänderung immer wieder in die Gruben des Harzes eingefahren, wenn auch viel seltener als Männer. Einige Frauen haben sich sogar beruflich mit dem Bergwesen befasst, wenngleich auch dies die Ausnahme blieb.
Bereits im ersten Harzreiseführer aus dem Jahr 1703 findet das Einfahren von reisenden Frauen Erwähnung und beschreibt die Notwendigkeit Hosen anzuziehen: „/wie ich denn Frauen-Zimmer habe mit einfahren gesehen / … worunter einesmahls eine mir am allernähsten verwande Person / die es im Fahren denen darbey vorhendenen Manns-Volck / wo nicht zuvor / doch gleich that. Es müssen aber dies Weibes-Personen sich ebenfalls in einen Berg-Habit verkleiden / sonst dieselben mit ihren langen Röcken auf denen Fahrten nicht fortkommen könten / und es dieserwegen leicht Hals-brechende Arbeit geben würde.“[1]
Hundert Jahre später, 1804 schrieb ein Hanns Freydanck über eine illustre Gesellschaft, die in den Rammelsberg einfuhr und es waren auch hier Frauen zugegen: „Freitags den 27. July, Morgens um 8 Uhr gingen wir zu dem etwa ¼ Stunde von Goslar entfernten Rammels-Bergwerke. In der Wohnung des Aufsehers dieses Bergwerks, des Bergvoigts Stelzner, erhielten wir unsere Kleidung gegen Bergwerksanzüge, worinnen eine gewisse Dame (die Gattin des geheimen Sekretärs Kühne) wie ein kleiner verlaufener Tyroler und die Herren (Essigfabrikant Teichert, Sekretär Kühne, Seidenfabrikant Kühne mit Sohn, Kassierer Fritsche) wie lustige Kohlenschweler aussahen. So gingen wir mit diesem Herrn Stelzner, der unser Führer und Geleiter war, und einigen jungen Bergleuten, die uns mit ihren Lampen vorleuchten sollten, dem Eingange zu, der am Fuß des Berges war.“[2]
Etwa ab Mitte des 18. Jahrhunderts bereisten zahlreiche Professoren und Studenten aus den nahen Universitätsstädten Göttingen und Halle den Harz. Die Universitäten wählten den Harz als Forschungsgebiet für Geologie, Mineralogie, Paläontologie, Erdgeschichte und Botanik. Die Lehre war eng verknüpft mit den Harzer Bergwerken, die eine große Anziehungskraft ausübten. Nicht nur die Mineralogen oder Geologen fuhren in die Gruben ein, sondern auch Studenten und Professoren anderer Fachbereiche wie Philosophie, Jura und Theologie. Darunter befand sich auch eine Frau, die Studentin Dorothea Schlözer (1770-1825), die in Göttingen im Alter von 17 Jahren als erste Frau Deutschlands den Doktortitel der Philosophie erwarb. Da ihr Vater, der Historiker und Universitäts-Professor August Ludwig Schlözer davon überzeugt war, dass Mädchen genauso bildungsfähig seien wie Jungen, sorgte er von früher Kindheit an für eine umfassende und gründliche Bildung seiner Tochter. Sie wurde in den Geistes – und Naturwissenschaften, in Kultur und Kunst unterrichtet und bereiste zu Bildungszwecken neben Rom auch den Harz. 1786 wohnte sie insgesamt 6 Wochen in Clausthal und hatte die Möglichkeit, sämtliche Hauptgruben zu befahren. Dort „verliebte sie sich in das Bergwesen“, so der Vater in einem Brief. In Göttingen wurde sie in Folge der Reise in den Fachbereichen Mineralogie und Markscheidekunst unterrichtet. Noch im gleichen Jahr reiste sie ohne Begleitung wiederum für 6 Wochen nach Clausthal und befuhr nochmals sämtliche Hauptgruben. Zur Promotion in der Universität Göttingen reichte Frau Schlözer einen Lebenslauf, eine Probe ihrer Privatstudien, eine genealogische Tabelle des Welfenstammes und zwei Handzeichnungen von Harzer Bergwerken ein.
Heutzutage werden Besucher:innen aus aller Welt von ausgebildeten und kompetenten Grubenführerinnen in die Besucherstollen der ehemaligen Harzer Bergwerke geführt. Und Gesellschaften verändern sich. 2009 wurde das Arbeitsverbot für Frauen untertage im Rahmen der Gleichstellungsregeln durch die Europäische Union aufgehoben. Heute gibt es gelegentlich Frauen, die Bergbau studieren und Frauen, die unter Tage arbeiten. Häufiger arbeiten sie natürlich dort, wo die männlichen Arbeitskräfte fehlen, wie im Kohlebergbau in der Ukraine.
[1] Georg Henning Behrens: Hercynia Curiosa oder Curiöser Hartz-Wald, Nordhausen 1703
[2] Dr. phil. Hanns Freydank, 1804, Der Anschnitt, Zeitschrift für Kunst und Kultur im Bergbau, Jg. 20 / Nr. 3, S. 26 Die Universität Göttingen und der Harz
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